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Sabeth schreibt

Poesie Melancholie Philosophie Feminismus Anarchismus - non serviam.

Sex, Liebe, Zärtlichkeit, Verliebtsein, Nähe in Zeiten von Corona und in fortgeschrittenem Alter sowie ganz grundsätzlich

 
Sex, Liebe, Zärtlichkeit, Verliebtsein, Nähe in Zeiten von Corona und in fortgeschrittenem Alter sowie ganz grundsätzlich
 
Über Sex, Liebe, Leidenschaft habe ich schon öfter geschrieben, zumeist allerdings überwiegend im Zusammenhang mit Pornographie, Prostitution, Sexualgewalt, Vergewaltigung, sexuellem Konsens, sexueller Selbstbestimmung, durchaus aber auch bereits über sexuelle Lust, Leidenschaft und Erfüllung (siehe dazu bei Interesse unten verlinkte blog-Einträge).
 
Hier möchte ich nun andere Aspekte ansprechen, die die je persönliche, individuelle oder vielleicht auch "kollektive" Art des Umgangs unterschiedlicher Menschen, Personen, Persönlichkeiten zu bestimmten Zeiten, in ggf. schwierigen, belastenden Verhältnissen, aufgrund äußerlicher Gegebenheiten und/oder innerpsychischer, emotionaler sowie auch physischer Verfasstheiten mit Sex, Nähe, Intimität, Beziehung u.a.m. betrifft, wie sie damit jeweils zurandekommen.
 
Dies insbesondere dann, wenn sie keine "feste" Beziehung, Partnerschaft haben, leben, sondern gerade in diesen "Corona-Zeiten" und/oder in schon weiter fortgeschrittenem Lebensalter neue, fremde Menschen kennenlernen (möchten) und dies inzwischen nicht selten über virtuellen Kontakt, zunächst nur virtuelle Kommunikation stattfindet, somit ohne hilfreiche Eindrücke und Anhaltspunkte wie Blicke, Gesichtsausdruck, Mimik, Gestik, Stimme, Tonfall, ohne einen ersten Gesamteindruck einer fremden Person erhalten zu können - wie dieser fremde Mensch sich bewegt, wie er spricht, was er auf welche Weise auch nonverbal ausdrückt, wie sein ganz persönlicher, individueller Selbstausdruck ist, welche Ausstrahlung er hat und wie er auf sein Gegenüber reagiert, eingeht ... .
 
Es dürfte beim geneigten Lesenden inzwischen vermutlich angekommen sein, dass ich selbst solches Kennenlernen, In-Kontakt-Kommen mit fremden Menschen, in zumindest zu Anfang rein virtueller Form, als durchaus schwierig erachte. Dies deshalb, weil bekanntlich so viel missverstanden, fehlinterpretiert, aber auch projiziert werden kann, unbewusst oft auch wird. Und weil Menschen sich schriftlich, schreibenderweise (gerade wiederum gegenüber ihnen völlig unbekannten Menschen), zumeist deutlich anders ausdrücken als im direkten, realen Kontakt, in der persönlichen Begegnung.
Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Und mit zunehmender Vertrautheit ändert sich üblicherweise auch die schriftliche Kommunikations-, Ausdrucksweise.
 
Doch selbst wenn man sich schließlich real, persönlich, leiblich, sinnlich wahrnehmbar begegnet, trifft, miteinander spricht, etwas gemeinsam tut, bleibt das Gegenüber zunächst fremd - unvertraut, unverbunden
Es ist noch nicht klar, ob der andere, der Fremde "Freund oder Feind" ist oder wird. Ob er mir wohlgesonnen ist, auch wohltut oder Übel zufügt - zu dem, das mich ohnehin bereits versehrt, ggf. auch vernarbt hat. 
Ich kann noch nicht wissen, erkennen, ob ich mich einlassen, ob ich diesem Fremden vertrauen kann, darf.

Antoine de Saint-Exupéry formuliert das - und dabei nicht "nur" Vertrautmachen, Vertrautsein, sondern tatsächlich Freundschaft, Liebe, Verbundensein - in "Der kleine Prinz" so poetisch wie anschaulich:

»Ich suche Freunde. Was bedeutet ›zähmen‹?«
 
»Das wird oft ganz vernachlässigt«, sagte der Fuchs. »Es bedeutet ›sich vertraut miteinander machen‹.«
 
»Vertraut machen?«
 
»Natürlich«, sagte der Fuchs. »Du bist für mich nur ein kleiner Junge, ein kleiner Junge wie hunderttausend andere auch. Ich brauche dich nicht. Und du brauchst mich auch nicht. Ich bin für dich ein Fuchs unter Hundertausenden von Füchsen. Aber wenn du mich zähmst, dann werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzigartig sein. Und ich werde für dich einzigartig sein in der ganzen Welt …«
 
Ähnlich und noch ein wenig präziser, ausführlicher findet sich die Beschreibung, Definition dessen, was aktives Lieben, Vertrautsein, Verbundensein ist, bekanntlich bei Erich Fromm in dessen Klassiker  "Die Kunst des Liebens", ein unbedingt lesenswertes Buch.
 
Fühlt man sich spontan, unvermittelt zu einem anderen Menschen mental und/oder emotional und/oder körperlich-sexuell hingezogen, von ihm angezogen, verliebt man sich gar in jemanden, so fällt es weniger schwer, den Kontakt zu vertiefen, sich dem anderen, dem noch unbekannten Menschen auch körperlich zu nähern, auf ihn einzulassen. Oft hat man dann ein natürliches Bedürfnis danach - nach körperlicher Nähe, Berührung, Zärtlichkeit, Sex, Leidenschaft, nach Erkunden, Kennenlernen des fremden Körpers dieser Persönlichkeit.

Nun kann ich wie auch andere Menschen bei diesem wie auch anderen Themen der Natur der Sache nach letztlich nur von meinen eigenen Eindrücken, Erfahrungen, Gedanken, Gefühlen, Empfindungen sprechen, wenngleich Menschen einander bei aller Fremdheit so unähnlich oder völlig gegensätzlich doch gar nicht sind, es vielmehr durchaus viele Gemeinsamkeiten gibt.
Die meisten erwachsenen (und noch jungen) Menschen dürften etwa das auf Gegenseitigkeit beruhende Verliebtsein als angenehm, belebend, anregend, Auftrieb gebend ... erleben.
Die meisten Menschen wünschen sich - bewusst oder unbewusst - Nähe (wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß), Verbundensein, Getragensein, Geliebtwerden, frei von Schmerz, Leid, Verlust, Trauer, Beschädigung zu sein. Dies möchte ich an dieser Stelle nun nicht weiter vertiefen, da es hier gerade nicht mein eigentliches Thema ist, es sollte lediglich beispielgebend dafür sein, worauf ich mich beziehe.
 
Was nun jedenfalls mich persönlich betrifft, fiel es mir in jungen Jahren erheblich leichter, mich zu verlieben - es passierte eigentlich immer von selbst, ohne etwaige Zielsetzung, ohne gezieltes, beabsichtigtes Tun, Steuern, Wollen.
 
Je älter Menschen werden, je mehr, länger und gerade auch wiederholt sie Erfahrungen mit anderen Individuen gemacht haben - darunter unvermeidlicherweise auch "negative", belastende, ggf. auch beschädigende - je versehrter sie bereits sind und je physisch schwächer, verletzlicher, beschädigter sie im Lebensverlauf geworden sind, umso weniger leicht fällt ihnen, zumindest mir, das Sich-Verlieben, umso weniger Neugier, Offenheit, Vitalität, Energie, Verve besteht im Vergleich zur Zeit der Jugend, da alles noch mehr oder weniger neu, unbekannt, aufregend, offen und: möglich war.
 
Vieles ist in fortgeschrittenerem Alter, ab etwa Ende 30, Anfang 40 aufwärts, und je nach persönlichen Lebensumständen (sozialen, familiären, wirtschaftlichen, finanziellen, gesundheitlichen, biographischen) nicht mehr so leicht möglich, zugänglich, realisierbar. Vieles wurde bereits wiederholt erlebt, erfahren, auch: durchlitten und bewältigt.

Hinzu kommt der Umstand, dass üblicherweise auch die rein physische Energie, Vitalität und damit auch die äußerliche, körperliche Attraktivität - bspw. aufgrund des bisherigen, ggf. ungesunden Lebensstils, aber auch infolge von Krankheit und/oder materieller Armut oder harter, belastender Arbeit - mit zunehmendem Alter so spürbar wie sichtbar nachlässt.
Da helfen auch hohle Phrasen wie "Schönheit kommt von innen" und "es kommt auf die Lebenseinstellung und persönliche Ausstrahlung an" nicht - wir altern.
 
Wir bauen mit dem Alter(n) physisch ab, werden schwächer, schon rein körperlich leichter verwundbar, verletzbar, wenngleich je individuell unterschiedlich stark, schnell wahrnehmbar, spürbar.
 
Wir leben alle von Geburt an mit jedem einzelnen Tag, jeder Stunde, Minute auf unser Lebensende hin, auf den Tod zu - unvermeidlich, unausweichlich.
 
Wir sind nicht dauerhaft, lebenslang, auch im Alter noch glatt, prall, faltenfrei, muskelstark, kraftvoll, intensiv beweglich, gesund, "fit", vital, energiegeladen, dynamisch. Wir altern unabänderlich auch dann, wenn wir uns Jahrzehnte lang gut, gesund ernährt, regelmäßig viel bewegt, achtsam entspannt, sorgfältig gepflegt, um unser Wohlbefinden, unsere Vitalität und Gesundheit verantwortungsvoll gekümmert, bemüht haben.
 
Aber was, wenn du dich in deinem Körper alters- und/oder krankheitsbedingt nicht mehr zu Hause fühlst? Wenn du dich nicht mehr als dich selbst erkennst, dies nicht nur anhand deines Spiegelbildes oder auf Fotos, sondern direkt vermittelt durch dein eigenes Körpergefühl, w i e du dich in deinem Körper fühlst, wie er sich für dich, von dir wahrgenommen anfühlt, wie "er", d.h.: dein Leib, du selbst nachlässt, Kraft, Spannung verliert, wie du alterst, abbaust, verfällst.
 
Was, wenn du dich so anderen, insbesondere fremden Menschen nicht mehr zeigen möchtest, wenn du dich in, mit deinem alternden, vielleicht auch durch Krankheit, Armut, Mangelernährung deutlich gezeichneten Körper nicht mehr wohlfühlst und somit auch nicht (mehr) attraktiv?

Was, wenn du dich dennoch, da du nach wie vor als Mensch leiblich existierend, somit verletzlich und bedürftig bist, nach Berührung, Nähe, Intimität, Leidenschaft, nach Verbundensein, Gehaltensein sehnst - aber dies nur mit bereits vertrautem Menschen erleben, teilen möchtest - den es möglicherweise jedoch nicht (mehr) gibt und jeder Fremde all das mit dir und du mit ihm noch nicht hast, teilst, sondern all das erst mit Zeit, Kontakt, Umgang miteinander entstehen, wachsen, sich entwickeln muss, nur so kann - aber dein Altern, dein Kranksein, das Gefühl des Selbstverlustes (auch des psychisch-emotionalen), des spür- und sichtbaren Beschädigt- und Versehrtseins, der Schwäche und Kraftlosigkeit dich genau hieran hindert?
Denn gerade zu Anfang, in den Erstbegegnungen mit fremden Menschen, zählen keineswegs nur oder vorrangig "die inneren Werte" und dies insbesondere dann nicht, wenn es um auch Sexualkontakt geht.

Und was, wenn durch äußere Umstände, Gegebenheiten, Verhältnisse wie die derzeitigen "Corona"-Maßnahmen, -Einschränkungen ... vieles ohnehin gar nicht (mehr) möglich ist: in Kontakt miteinander zu kommen, etwas gemeinsam mit anderen, auch fremden Menschen aktiv zu tun und sie dabei, währenddessen, durch dieses gemeinsame Tun, Aktivsein, leibliche Zusammensein, im gemeinsamen Erleben ganz natürlich, real, sinnlich wahrnehmbar, direkt kennenzulernen?

Was, wenn es schließlich doch zu näherem Kontakt, zu körperlicher Nähe kommt - mit einer dir jedenfalls und mindestens körperlich, sexuell noch völlig fremden Person?

In sehr jungen Jahren ist man zumeist noch unsicher, weil die Erfahrung, die Kenntnis fehlt. In mittleren Jahren verfügt man allgemeinhin über diese Erfahrungen, "Kenntnisse" und reflektiert sie vielleicht auch bereits. Man ist mehrheitlich noch gesund, vital, energiereich - jung, glatt, attraktiv. Man kennt seinen eigenen Körper und fühlt sich idealerweise darin wohl, mit ihm, dem eigenen Leib identisch.
 
Das Altern, auch physische (chronische) Krankheit, auch materielle Armut und langandauernde soziale Isolation, Isoliertsein bzw. -werden, auch Ausgrenzung ändert all das, siehe, wie oben bereits dargelegt.
 
Was, wenn du die erforderliche Neugier, Offenheit nicht mehr hast, nicht mehr auf-, mit-, einbringen kannst, die jedoch erforderlich ist, dich gerade auch körperlich, sexuell auf einen fremden Menschen einzulassen - eben w e i l dir das Gefühl der Energie, Vitalität, eigenen Attraktivität, des Ganzseins, des Heilseins fehlt und du dich eigentlich nur und dauerhaft erheblich schwach, verletzlich, versehrt, beschädigt, alt, krank, kaputt und hässlich fühlst - alles andere also als "begehrenswert"?

Was, wenn es dich gar nicht mehr reizt, einen fremden Körper (sexuell, zärtlich, zugewandt, offen, hingebungsvoll) zu erkunden, kennenzulernen, Nähe mit diesem Körper, Leib, Menschen zu erleben, sondern dich das, schon der bloße Gedanke daran geradezu abstößt: physisch und psychisch-emotional, also auch "sexuell"?

Es spielt dabei nicht einmal eine Rolle, ob bzw. dass du den anderen attraktiv oder vielleicht sogar schön findest: äußerlich und/oder innerlich, charakterlich.
Du hast einfach keine Kraft mehr für dieses Neue, Fremde, für all das Sich-Annähern, Sich-Einlassen. Es strengt dich nur an, es kostet dich nur noch zusätzlich Kraft, Energie, immense physische Anstrengung, vielleicht sogar körperliche Überwindung.


Du sehnst dich nach Berührung, Zärtlichkeit, Wärme, Nähe, nach Halt, nach Verbundensein, Vertrautheit, Intimität und manchmal vielleicht sogar auch noch nach Leidenschaftlichkeit: emotionaler, mentaler und sexueller.
 
Aber dir fehlt die Kraft, die L u s t, all das mit fremdem Menschen erst "erarbeiten", dahinein investieren zu müssen: körperliche (!) Kraft, emotionale Energie, all das wieder, erneut zu investieren, aktiv, aufmerksam, zugewandt, fürsorglich, liebevoll zu geben und ggf. früher oder später tatsächlich vielleicht noch einmal Nähe, Zärtlichkeit, Verbundensein, Lieben und Geliebtwerden zu erfahren, dabei jedoch wissend, dass es zwangsläufig, unausweichlich, absolut g e w i s s erneut zum Verlust, damit zu intensivem körperlichen und seelischen Schmerz, Leid, Trauer, vielleicht auch zu Haltlosigkeit, Verzweiflung kommen wird - nicht nur wegen etwaiger Konflikte, unüberwindbarer Differenzen, wegen dann Trennung, sondern auch durch den Tod - den des Partners, Gefährten oder den eigenen.

Dir fehlt die psychische und physische Kraft, noch länger, nochmal und immer wieder zu leiden.
 
Du bist und bleibst bedürftig und verletzlich: so lange du leiblich existierst. Und du bist dir dessen bewusst - wie auch deiner Vergänglichkeit, Sterblichkeit, deines Alterns, Verfalls.
Du brauchst, wünschst, willst, ersehnst Berührung, Beziehung, Wertschätzung, Halt, Gehaltensein, Verbundensein - Liebe, aktives Lieben und wohltuendes, stärkendes, nährendes, heilsames Geliebtwerden.
Aber du hast nicht mehr die Kraft, die Energie, das mit dir völlig fremden Menschen, Persönlichkeiten nochmals zu erlangen, dazu Zugang zu finden, es zu erarbeiten, den Weg hierfür aktiv und engagiert zu bereiten. Es ist alles nur noch mühevoll, es kostet dich alles nur noch Überwindung, immense Anstrengung. Es ist keine Leichtigkeit, Lebensenergie, Lebensfreude mehr in dir.
 
(Bei mir ist dafür die langjährig bestehende und ebenso langjährig leider unbehandelte Eisenmangelanämie, Blutarmut sowie die materielle Armut ursächlich und durch mich selbsttätig, selbständig, alleine beides nicht "behebbar" - ich habe es nach Kräften versucht ... .)
 
Was dann?
 
Wie gehen andere Menschen in welchem Alter, unter welchen persönlichen Umständen damit um? Wie leicht oder schwer fällt es ihnen aus jeweils welchen persönlichen Gründen, sich auf fremde Menschen gerade körperlich, sexuell einzulassen, mit einem fremden Körper "umzugehen" - einem Körper, einem Menschen, den man (noch) gar nicht begehrt, geschweigedenn liebt?
 
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update 24. Mai 2021
 
Die Sehnsucht nach nicht-sexueller, wohltuender, heilsamer Berührung ist dem Ekel vor sexueller Berührung gewichen. Schon die bloße Vorstellung ekelt mich an.
 
Möglicherweise geht es anderen ähnlich?
Liegt wohl am fortgeschrittenen Alter und/oder an der langjährigen sozialen Isolation.
 
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