Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog

Sabeth schreibt

Poesie Melancholie Philosophie Feminismus Anarchismus - non serviam.

Die Wand - zum Film nach dem gleichnamigen Roman von Marlen Haushofer

 
"Die Wand"
 
Es geht in diesem - eigentlich von Anfang bis Ende sinnbildlichen - Film, der Marlen Haushofers Roman wunderbar anschaulich, eindrücklich, eindringlich und beklemmend in Bilder und Töne fasst, nicht um bloße "Zivilisationskritk".
Es greift auch deutlich zu kurz, ihn auf "Solipsismus" zu reduzieren.
 
Ja, Grundthema ist augenfällig Einsamkeit, dabei aber nicht "nur" totale soziale Isolation, die für sich genommen schon intensiv schmerzhaft, schädigend, zersetzend, vernichtend ist, es geht nicht "nur" um irgendwie, irgendeine rein persönliche Einsamkeit, sondern um die grundsätzliche existenzielle Einsamkeit, das absolute Abgetrenntsein des Menschen an sich - nicht nur eines einzelnen Individuums in seiner Subjektivitätshülle (oder wahlweise seinem Subjektivitäts- und Bewusstseinskerker), sondern das Abgetrenntsein eines jeden Menschen aufgrund seines Menschseins - sofern er ein bewusster, reflektierender, erkennender, sich nicht nur durch sein Leben alltäglich unbewusst treiben lassender Mensch ist.
 
Es geht um Verlust, bis hin zum Selbstverlust. Um Leben, Überleben, Tod, Trauer, Angst, Haltlosigkeit, völliges auf sich selbst Zurückgeworfensein.
 
Es geht um das Menschsein - die conditio humana.

Der Mensch: als zugleich materielle, physische, leibliche, triebhafte, bedürftige, schmerz-, leidfähige Existenz, als Tier, Kreatur, das/die seiner Biologie unterworfen ist wie jedes andere (Säuge-) Tier sowie als mit Verstand, Vernunft, Bewusstsein belegtes Lebewesen, das - um seine Existenz, Vergänglichkeit und Verantwortung, um die ihm "auferlegte" Last, die zugleich Chance ist, wissend - mit eben dieser "Gabe", dieser Last, dieser seiner spezifisch menschlichen Freiheit und Verantwortung, Bewusstheit, Suche, Zweifeln, Ungewissheit, Ambivalenzen und Kreatürlichkeit mehr oder weniger lebenslang ringt. - Je bewusster, reflektierter, erkenntnisreicher das jeweilige Individuum ist, umso härter, schmerzhafter, schwerer der innere, dabei wiederum zugleich je individuelle, subjektive Kampf.
 
Vorausgesetzt, man flüchtet nicht in den selbstschonenden Selbstbetrug - Halt, Trost, Sicherheit, Orientierung, Schutz suchend in religiösem Glauben, Aberblauben, Esoterik, Mystik, in Sucht, in Welt- und Selbstflucht, in Verdrängung und Betäubung, womit - mit all dem Genannten - man es allein sich selbst erträglicher zu machen versucht, weil man nicht standhalten kann: dem Geworfensein, der Kontingenz, der nicht vorhandenen Teleologie, dem nicht gegebenen (offensichtlichen) Sinn, dem daraus resultierenden Schmerz, Leid, der Haltlosigkeit - dem Gefühl der totalen, absolut und lebenslang unüberwindlichen Einsamkeit.
 
Denn diese grundlegende allgemein menschliche und zugleich je persönliche Einsamkeit, dieses völlige Abgetrenntsein bleibt bestehen, so viele nahestehende, geliebte, liebende Menschen uns auch umgeben, mit uns sein mögen und wir werden ihr bisweilen gerade in Gegenwart dieser Menschen in vollem Umfange, schmerzlich bewusst. Oder auch in Momenten des Krankseins, insbesondere im Sterbeprozess, soweit und so lange er bewusst erlebt wird. Jedenfalls im Erkennen unseres letztlich, tatsächlich immer Auf-uns-allein-Gestelltseins sowohl im Leben als auch im Sterben.
 
Und wie die Protagonistin im Film selbst erkennt, ist es nur Liebe, die diesen unerträglichen Zustand abzumildern, sogar zeitweise aufzulösen vermag. Die "allumfassende", gebende, teilende Liebe, die das Gefühl des Verbunden-, Einsseins, Verschmelzens mit Mensch, Tier, Natur erleben, erfahren, erkennen lässt. - Für die Protagonistin wie für unzählige andere bereits verstorbene, aber auch noch existierende Menschen ist es jedoch, wie sie sagt: "zu spät".
 
Meine dreizehnjährige Tochter wollte den Film unbedingt sehen, trotz, vielleicht gerade wegen meiner Vorwarnung, es sei ein emotional anstrengender, herausfordernder Film. Sie hat ihn natürlich nicht verstanden, so wenig wie ich den Roman im Alter von bereits 18 Jahren in seiner ganzen Tiefe erfassen konnte, denn dafür bedarf es zunächst, zuvor entsprechender (persönlicher) Lebenserfahrung, emotionaler Erfahrungen und flankierender oder folgender Reflexion.
 
Es sind diese die besten, wertvollsten Filme - die uns so intensiv und schonungslos auf uns selbst zurückwerfen, mit uns selbst und unserer menschlichen wie je persönlichen großen kleinen Existenz konfrontieren - mit unserer Begrenztheit, Endlichkeit, mit unserer überwältigenden Verantwortung und unserer Hilf- und Haltlosigkeit, mit all unserer Stärke, Schwäche und Bedürftigkeit. Und vielleicht auch mit unserer Kapitulation vor all dem, in Folge all dessen - unseres Wissens darum, unseres Bewusstseins darüber und der ganzen Unabänderlichkeit und Absurdität dieser "Spielregeln", die wir uns (so) nicht gemacht, nicht ausgedacht, nicht ausgesucht haben und denen wir erst durch den Tod, mit dem je eigenen Tod entkommen können. - Sei dies "Fluch" oder "Segen".
 
-
 

Diesen Post teilen

Repost0
Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:

Kommentiere diesen Post