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Sabeth schreibt

Poesie Melancholie Philosophie Feminismus Anarchismus - non serviam.

Über die Liebe, Teil 2 - Missverständnisse bzgl. des Liebesbegriffes, über Empathie und Beziehung

 
Über die Liebe, Teil 2 - Missverständnisse bzgl. des Liebesbegriffs – sodann über Empathie und Beziehung (-sformen)
 
Nachdem ich im ersten Teil - Über die Liebe und die Freundschaft – versucht habe, meinen mehr oder weniger persönlichen Liebesbegriff, eine Definition des Begriffes "Liebe", darzulegen, soll es in diesem zweiten Teil nun um sich daraus bekannterweise ergebende Missverständnisse gehen.
 
Wenn Menschen sich über Liebe unterhalten, tun sie das nicht nur auf Basis je eigener, selbst gemachter Erfahrungen, sondern auch vor dem Hintergrund ihrer Prägung, Sozialisierung (Erziehung), somit auch eingebettet in die gängigen Vorstellungen der Kultur, der Gesellschaft, in welcher sie aufgewachsen sind, durch welche sie also geprägt wurden – das (alles) in der Kindheit zunächst unreflektiert aufgenommen und verinnerlicht habend, das gesellschaftlich als Norm, als "gut und richtig" gilt.
 
Nicht immer werden diese Überzeugungen, Glaubenssätze jedoch später im Leben ausreichend oder überhaupt hinterfragt, reflektiert, überprüft – darauf, ob und wie sie tatsächlich zu den im Lebensverlauf gemachten je eigenen, individuellen Erlebnissen, Erfahrungen und Gefühlen passen, ob sie damit weitgehend übereinstimmen oder ob, in wie weit und wie intensiv sie ihnen wie deutlich möglicherweise zuwiderlaufen.
 
Schwierig verhält es sich nach meinem Dafürhalten insbesondere mit dem (gängigen, verbreiteten) Liebesbegriff, d.h. der geläufigen Definition von "Liebe".
 
Ohne jedoch zunächst einmal jeweils für sich selbst geklärt, herausgefunden, reflexiv erfasst und begrifflich bestimmt zu haben, was man je selbst unter "Liebe" versteht, wird die Kommunikation, der Austausch mit anderen Menschen darüber - und noch mehr die lebenspraktische Interaktion mit ihnen – zwangsläufig von Missverständnissen, Unstimmigkeiten und früher oder später auch häufig leider negativen Folgen gezeichnet sein.
Eine unerlässliche Kommunikationsbasis ist daher - idealerweise von Anfang an - eine einheitliche, gemeinsame Begriffsdefinition bereits zu haben oder jedenfalls noch zu erlangen.
 
Die wenigsten Menschen (auch Paare) tauschen sich jedoch zu Beginn einer Beziehung über ihre jeweilige "Liebes-Definition" aus. 
Dies liegt in oben angeführtem Umstand begründet:
Dass nach Art einer stillschweigenden Übereinkunft die romantische Liebe als Norm vorausgesetzt und (dem jeweils Anderen als ebenfalls so übernommen, als solche internalisiert) unterstellt wird.
 
Allgemeinhin verstehen Menschen (des "westlichen Kulturkreises") mehrheitlich unter dem Begriff "Liebe" also die sogen. "romantische Liebe", welche üblicherweise mit einer "exklusiven Paar-, Zweier-Beziehung" einhergeht – und verbinden damit ergo eine monogame Beziehungsform.
 
Dies rührt aus oben genannter Prägung. Denn es wird heute nach wie vor das Bild und die Norm der "romantischen Liebe", mithin der monogamen Zweier-Beziehung, via Medien, auch in der Kunst (Literatur, Musik, Film …) transportiert, d.h. permanent, beständig demonstriert – als eben gängige Norm, als Standard, als Direktive.
 
Meines Erachtens unterliegt eine solche Vorstellung von Liebe zwei entscheidenden Denk- bzw. Verständnisfehlern:
 
Zum einen wird "Liebe" stark verkürzt gedacht: als vorrangig bzw. ausschließlich romantische Liebe.
 
Zum anderen wird überdies romantische Liebe mit "grundsätzlicher, genereller", umfassender Liebe (Liebe als solche) gleichgesetzt.
 
Romantische Liebe ist jedoch tatsächlich eigentlich "nur" Verliebtheit.
Es wird das Gefühl der Verliebtheit, der Zustand des Verliebtseins mehrheitlich mit Liebe(n) verwechselt bzw. fälschlicherweise synonym verwandt.
 
In der - unterschiedlich lang anhaltenden, jedoch immer vorübergehenden, zeitlich befristeten - Phase der Verliebtheit ist es für Verliebte typisch, dass ihre Aufmerksamkeit, ihre Gedanken, Gefühle, ihre Zuneigung, ihr Interesse, Begeisterung, ihr körperliches und auch sexuelles Wünschen, Sehnen, Begehren, Ausgerichtetsein sich zumeist überwiegend bis ausnahmslos auf eine einzige Person bezieht – eben die Person, in die man verliebt ist.
In dieser Phase bleibt für andere/-s meistens wenig Raum. Man ist auf eine einzige Person mehr oder weniger intensiv geistig, emotional und körperlich (auch sexuell) fixiert, ähnlich eines Rausches, einer Sucht. Es lässt sich willentlich auch nicht besonders gut gegensteuern, dagegen angehen.
 
Warum sich das so verhält, kann heute die sogen. Hirnforschung recht anschaulich erklären. (Siehe entsprechende, unten angehängte Links.)
 
So sitzen infolgedessen zahlreiche Menschen, welche "Liebe" als "nicht teilbar", als auf nur einen einzigen Menschen bezogen, nur einem Menschen schenken wollend und geben könnend verstehen, dem Irrtum auf, Liebe sei etwas, das weniger, schwächer, wertloser würde, wenn man sie auch (noch mehreren) anderen Menschen schenkt, sie mit noch weiteren Menschen teilt, erlebt, sie für mehrere Menschen empfindet. Doch das Gegenteil ist der Fall.
 
Spontan assoziiert man hier wohl die aus den Religionen (Judentum, Christentum und auch im Islam als Gebot gesetzt) überlieferte "Nächstenliebe" (caritas), auch Agape und Philia.
 
Deutlicher noch bzw. dem Begriff der "umfassenden Liebe" näher kommen aus dem Buddhismus Karuna (in etwa: Mitgefühl) und Metta (Freundschaft, Güte, Liebe).
 
Im Zentrum des (je eigenen) Denkens, Fühlens, Handelns steht hier die Zugewandtheit zum Anderen, das Geben (-Wollen), die Güte - das Mitgefühl.
 
Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist Empathie.
 
So definierte, verstandene und "praktizierte" Liebe kann sich (sie schenkend, gebend, lebend) nur mehren, nicht weniger, schwächer oder wertloser werden.
 
In Über die Liebe hatte ich das ähnlich bereits auszudrücken versucht, durch den Wunsch und Impuls "Gutes tun" bzw. dem Anderen "gut tun" und ihm geben zu wollen.
Dies wie gesagt jedoch gerade nicht vorrangig aus ideellen,  moralischen Motiven, Absichten, Prinzipien, sondern tatsächlich aus einem Gefühl, einem emotionalen Impuls heraus.
 
Hier ist also zu unterscheiden zwischen einmal der sich nach moralischen Werten ausrichtenden Geisteshaltung, den moralischen Überzeugungen und Idealen, also der Gesinnung einerseits und dem "natürlichen" menschlichen, emotionalen Impuls (der Empathie) andererseits.
Beides geht durchaus ineinander über, vor allem aber ist Ersteres durch Letzteres, durch also den natürlichen Impuls (zu empathischem Fühlen, zu Mitgefühl und, daraus folgend Verhalten) überhaupt erst möglich.
 
Es findet sich bei den Links unten zur "Evolution der Moral" und der Empathie sowie zum "reziproken Altruismus" ein wenig Lektüre.
 
Wir können also mitfühlen: sowohl mit Menschen aus unserem direkten Lebensumfeld, die wir persönlich kennen, die uns vielleicht auch nahestehen, als auch mit Menschen, welche sich weit entfernt befinden, von deren Leid, Schmerz, Not, aber auch Freude … wir erfahren – dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Bilder, d.h. visuelle Eindrücke uns die Situation, den Zustand, die Verhältnisse und Gefühle auch weit entfernter Menschen übermitteln, wenn wir ihren Schmerz insbesondere durch Sehen (und Hören) wahrnehmen
 
Auch gegenüber Tieren können wir Mitgefühl empfinden, vor allem, wenn es sich dabei um Säugetiere handelt, die uns verwandter, ähnlicher sind als bspw. Insekten.
Der Aspekt der Identifikationsmöglichkeit sowie der Projektion spielt hierbei eine bedeutsame Rolle.
Dies wiederum lässt sich naturwissenschaftlich mittels (nicht nur, aber u.a. auch) der Spiegelneuronen erklären.
 
Daneben gibt es scheinbar eine noch "persönlichere" Liebe, die sich auf bestimmte Weise auf Menschen, welche einem nahe stehen, (auch räumlich) nahe sind, bezieht.
 
Es verhält sich dabei jedoch um keine "andere Art von Liebe", den Unterschied macht viel mehr die Art der Beziehung bzw. ob also eine – emotionale – "engere" Beziehung besteht oder nicht.
 
An dieser Stelle kommen wir zum eigentlichen Kern der Sache und weiteren gängigen Missverständnissen, welche ich im Folgenden zu erläutern versuche:
 
Ich kann einen Menschen mehr oder weniger mögen, gern haben, mir kann jemand auch "nur" sympathisch sein oder ich kann ihn lieben.
 
Das heißt, ich kann anderen Menschen auch dann (generell, d.h. nicht in jedem einzelnen Alltagsmoment 24 Stunden lang) "Gutes tun wollen", wenn ich sie nicht eingebettet in eine persönliche Beziehung liebe – ich liebe sie nicht (innerhalb einer Beziehung), dennoch kann ich mit ihnen mitfühlen, mich von ihren Empfindungen, ihrer Lebenssituation bzw. also auch ihrem Schmerz, Leid(en), ihrer Not bewegt fühlen: sowohl emotional als auch – daraus resultierend – im Sinne eines Aktivwerdens, Handelns, Mich-Verhaltens, dahingehend, zu versuchen oder mitunter bemüht zu sein, ihr Leid zu verringern, (m)einen Teil hierzu beizutragen.
 
Die Basis dessen ist Mitgefühl (wie oben bereits dargelegt).
Mitgefühl kann ich "haben" bzw.  zeigen, zuteilwerden lassen: sowohl Menschen gegenüber, die ich liebe als auch solchen, die ich nicht liebe.
 
Für gewöhnlich habe ich eine Beziehung jedoch nur  zu Menschen, die mir (auch räumlich) nahe sind; was darin begründet liegt, dass es eines mehr oder weniger regelmäßigen direkten, d.h. persönlichen, physischen, sinnlich wahrnehmbaren, sinnlich erfahrbaren Kontaktes, Umganges bedarf, um zumindest eine Beziehung zunächst einmal entstehen, sich "anbahnen", sich entwickeln zu lassen. Hierfür ist, wenigstens zu Anfang einer Beziehung, der direkte Kontakt erforderlich. – Ich muss unmittelbar und wiederholt sowie längerfristig wahrnehmen, erleben, erfahren können, "wer der Andere ist", wie er sich verhält, muss also seinen auch physischen Ausdruck wahrnehmen, aufnehmen können, um: mich auf ihn beziehen, mich mit ihm vertraut, verbunden fühlen zu können.
 
Nach diesem kleinen Exkurs wenden wir uns nun wieder dem eigentlichen Betrachtungsgegenstand zu.
 
Sehen wir uns dazu einfach konkrete Einwände an. Es wird von Menschen, die die "romantische Liebe" bzw. das Verliebtsein mit tatsächlicher Liebe verwechseln, bspw. das Folgende geäußert:
 
Ich liebe nur meinen Partner und meine Kinder, evtl. noch Eltern und/oder Geschwister, nicht aber meine Freunde, auch wenn ich einige von ihnen sehr liebhabe, und ich liebe sie auf "unterschiedliche Art" bzw. es sind verschiedene Arten von Liebe; deshalb will ich nur mit meinem Partner Sex (nicht aber mit meinen Eltern, Kindern oder Freunden oder anderen Menschen), weil ich nur diesen "so" lieben kann und weil ich nicht möchte, dass das, was wir teilen, beliebig und austauschbar ist – deshalb lebe ich in einer monogamen Beziehung.
 
Dazu lässt sich sagen, dass:
 
man manche Menschen (zunächst oder auch nur) mag oder auch bloß sympathisch findet, andere Menschen hingegen liebt.
Man liebt (jemanden) also oder man liebt (ihn) nicht.
 
Man liebt verschiedene Menschen daher auch nicht "auf verschiedene Art", sondern man liebt sie wie gesagt oder man liebt sie nicht – was sich unterscheidet, sind die Beziehungen zu ihnen.
 
Da verschiedene Menschen unterschiedliche Persönlichkeiten sind und daher in meiner eigenen Persönlichkeit je unterschiedliche Aspekte ansprechen, anklingen lassen, zum Vorschein, zum Ausdruck bringen, deshalb auch unterschiedliche Reaktionen, Verhaltensweisen und Empfindungen (bei und von mir) auslösen, habe ich so jeweils unterschiedliche Beziehungen zu bzw. mit ihnen.
 
Weiterhin lässt sich feststellen, dass Liebe nicht zwangsläufig mit sexuellem Kontakt oder dem Wunsch nach selbigem einhergeht. Man kann Menschen lieben: mit oder ohne sexuelles Begehren, Interesse, sexuellen Kontakt.
Sex ist keine notwendige Voraussetzung oder Bedingung dafür, einen Menschen zu lieben (lieben zu wollen und zu können).
 
Sexualität kann als bereichernder, erfüllender, bedeutsamer Aspekt hinzukommen, muss aber nicht. Und dies auch nicht kontinuierlich, sondern u.U. nur phasenweise, zeitlich unterbrochen, eine Zeit lang intensiver, dann wieder weniger intensiv oder auch gar nicht.
Sexueller Kontakt, ganz gleich welcher Quantität oder Qualität, ist also kein Indikator für Liebe. – Es gibt Sex ohne Liebe wie auch Liebe ohne Sex und Liebe mit Sex.  
 
Nun zum Einwand der Beliebigkeit:
 
Jeder Mensch, den man liebt, ist einem wert und besonders und niemand anderer kann so sein wie dieser Mensch, dieses Individuum, diese Persönlichkeit – in all den ihr eigenen Facetten.
 
Was man mit einer bestimmten Person erlebt, teilt, lässt sich nicht auf irgendeine andere Person oder Beziehung übertragen, lässt sich mit niemand anderem wiederholen, gleich erleben, empfinden, erfahren.
 
Weil die Menschen individuelle Persönlichkeiten sind und ich Bestimmtes mit jeweils ihnen erlebe, erfahre, sprechen sie in mir Bereiche, Ebenen, Persönlichkeitsaspekte an, die nur sie auf genau diese Weise ansprechen können – und dies ggf. auch nur zu bestimmten Zeiten, in bestimmten Phasen, Momenten, an bestimmten Orten, aufgrund bestimmter Situationen, Umstände, Ereignisse … .
 
Kein Mensch, den ich tatsächlich liebe oder auch je liebte, wird vor diesem Hintergrund austauschbar, ersetzbar, beliebig sein (können). Keiner ist es.
 
Es würde ja auch keiner behaupten, er oder sie liebe nur einen einzigen Menschen, denn selbst die Anhänger der vermeintlich romantischen Liebe sagen von sich selbst, sie liebten also mehrere Menschen zu gleicher Zeit – bspw. Partner, Kinder … - nur "auf verschiedene Art(en)". Somit ist es also auch ihnen durchaus möglich, mehrere Menschen gleichzeitig zu lieben und dabei keinen dieser Menschen für austauschbar, ersetzbar, beliebig oder (einem selbst) weniger wert zu befinden.
Zu den "verschiedenen Arten von Liebe" hatte ich oben bereits Stellung genommen.
 
Nun kann man durchaus also mehrere Menschen lieben, ganz gleich, ob man mit ihnen Sex hat oder nicht, ganz gleich auch, wie alt sie sind, welchen Geschlechts etc..
Und man kann demzufolge auch seine (wirklichen) Freunde lieben bzw. man liebt sie, wenn es tatsächlich Freundschaft ist, welche die Beteiligten verbindet.
 
Liebe lässt sich nach meinem Dafürhalten bestimmen als Gefühl starker Zuneigung sowie mentaler Haltung (mit entsprechend einhergehendem Verhalten) des Geben-Wollens, Gebens.
 
Ein anderer Gegenstand ist allerdings, welche unterschiedlichen Beziehungen bzw. Beziehungsformen sich daraus ergeben.
 
Dazu an dieser Stelle in Kürze mehr. 
 
 
-
 
Das (siehe oben stehendes Zitat des Dalai Lama) "genügt" nicht nur, sondern das ist tatsächlich d a s Grundlegende schlechthin:
 
Der Urgrund jeglicher Moral ist eben dies: Einfühlungsvermögen und Mitgefühl (Mitfühlenkönnen), das ist auch der "Kern" von Liebe.
 
Alle religiösen Ge- und Verbote, alle Gesetze, Vorschriften, auch alle Ethik ist letztlich nur der theoretische Überbau - mit dem nicht selten Schindluder getrieben wird.
Jedes Kleinkind zeigt sich bereits mitfühlend und sogar hilfsbereit - wenn es nicht zuvor bereits (durch Erwachsene) beschädigt wurde ... .
 

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