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Sabeth schreibt

Poesie Melancholie Philosophie Feminismus Anarchismus - non serviam.

Bettina von Arnim

"[...] Bettina von Arnims literarisches und soziales Engagement trat erst nach dem Tod ihres Mannes 1831, dessen Werke sie herausgab, ins Licht der Öffentlichkeit. Die neue Autonomie, die der Witwenstand ermöglichte, führte zu einer Verstärkung ihres öffentlichen Wirkens. Bei der Choleraepidemie in Berlin engagierte sie sich für soziale Hilfsmaßnahmen in den Armenvierteln und pflegte Erkrankte. Sie schrieb das sozialkritische Buch Dies Buch gehört dem König (1843). Das aus fiktiven Dialogen zwischen der Mutter Goethes und der Mutter des preußischen Königs bestehende Werk wurde in Bayern verboten.
 
Der spätere Kunst- und Kulturhistoriker Jacob Burckhardt (1818–1897) studierte 1841–1843 in Berlin, wurde von Bettina von Arnim empfangen und beschrieb diese in einem Brief an seine Schwester Louise am 29. Januar 1842 wie folgt: „Ein 54jähriges Mütterchen, klein aber von schöner Haltung, mit wahrhaften Zigeunerzügen im Angesicht, aber so wunderbar interessant, wie selten ein weiblicher Kopf; schöne, echte kastanienbraune Locken, die braunsten, wundersamsten Augen, dir mir je vorgekommen sind.“[2]
 
In der Ernüchterung, die der gescheiterten Revolution von 1848 folgte, verfasste sie 1852 die Fortsetzung Gespräche mit Dämonen, in der sie für die Abschaffung der Todesstrafe und die politische Gleichstellung von Frauen und Juden eintritt. Ihre weitreichende Korrespondenz zur Ermittlung statistischer Angaben für ihr Armenbuch erregte großes Aufsehen. Das Buch wurde bereits vor seinem Erscheinen von der preußischen Zensur verboten, da man Bettina von Arnim verdächtigte, den Weberaufstand mit angezettelt zu haben.
 
Sie stand den Ideen der Frühsozialisten nahe; 1842 traf sie mit Karl Marx zusammen, hielt jedoch an der Idee eines Volkskönigs fest. Der König sollte erster Bürger einer Gemeinschaft von Bürgern sein und mit ihnen den Staat erschaffen, in dem sie leben wollten. [...]
 
Bettina von Arnims Leben und insbesondere ihre Beziehung zu Goethe werden sehr ausführlich von Milan Kundera in seinem Roman Die Unsterblichkeit behandelt. Kundera sieht Bettina als Frau, die zeitlebens versuchte, durch Kontakt zu herausragenden Persönlichkeiten ihrer Zeit und der Suggestion einer tiefen emotionalen Beziehung zu ihnen eigenen Ruhm zu erwerben. Illustriert wird diese Interpretation hauptsächlich durch die Analyse ihres Briefverkehrs mit Goethe, der von ihr bei der Veröffentlichung vorgenommenen Änderungen und des öffentlichen Streits mit Christiane Goethe.
 
Sarah Kirsch zeichnet im Wiepersdorf-Zyklus[7], der während einer Arbeitswoche im „[v]olkseigenen Schloß“ entstand, ein Bild ihres persönlichen Lebensgefühls in der DDR der 1970er Jahre.[8] Rahmenhandlung ist der Aufenthalt einer an die Autorin erinnernden Schriftstellerin, in dem „[e]hrwürdige[n] schöne[n] Haus [m]it dem zwiefachen Dach“. Im zweiten Teil stellt sie der Wiepersdorfer Szenerie „[d]ie schönen Fenster im Malsaal“, „außen“ „[m]aifrischer Park“ mit den „lächeln[den]“ „Steinbilder[n]“ die Enge ihrer Hochhauswohnung „in der verletzenden viereckigen Gegend“ gegenüber und spricht bewundernd die Gutsherrin an: „Bettina! Hier [h]ast du mit sieben Kindern gesessen […] ich sollte mal an den König schreiben“. Im neunten Teil fokussiert die Dichterin, in Anspielung auf Bettinas Briefe an Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, die Ähnlichkeiten der privaten und politischen Situation: „Bettina, es ist alles beim alten. Immer sind wir allein, wenn wir den Königen schreiben [d]enen des Herzens und jenen des Staates“.
In Christa Wolfs Roman Kein Ort. Nirgends (1979) ist Bettina von Arnim Teil der Winkeler Gesellschaft, in der 1804 die (fiktive) Begegnung von Heinrich von Kleist mit Karoline von Günderrode stattfindet.
 
Bettina von Arnim ist die weibliche Protagonistin in Das Erlkönig-Manöver (2007) von Robert Löhr. Der historische Roman stellt vor allem ihre Zerrissenheit zwischen ihrem Idol Goethe und ihrem späteren Ehemann Achim von Arnim dar.
 
„Es ist wahr, […], in mir ist ein Tummelplatz von Gesichten, alle Natur weit ausgebreitet, die überschwenglich blüht in vollen Pulsschlägen, und das Morgenrot scheint mir in die Seele und beleuchtet alles. Wenn ich die Augen zudrücke mit beiden Daumen und stütze den Kopf auf, dann zieht diese große Naturwelt an mir vorüber, was mich ganz trunken macht. Der Himmel dreht sich langsam, mit Sternbildern bedeckt, die vorüberziehen; und Blumenbäume, die den Teppich der Luft mit Farbenstrahlen durchschießen. Gibt es wohl ein Land, wo dies alles wirklich ist? Und seh ich da hinüber in andre Weltgegenden?“[9]
„Wer ist des Staates Untertan? Der Arme ists! – Nicht der Reiche auch? – Nein, denn seine Basis ist Selbstbesitz und seine Überzeugung, daß er nur sich angehöre! – Den Armen fesseln die Schwäche, die gebundenen Kräfte an seine Stelle. – Die Unersättlichkeit, der Hochmut, die Usurpation fesseln den Reichen an die seine. Sollten die gerechten Ansprüche des Armen anerkannt werden, dann wird er mit unzerreißbaren Banden der Blutsverwandtschaft am Vaterlandsboden hängen, der seine Kräfte der Selbsterhaltung weckt und nährt, denn die Armen sind ein gemeinsam Volk, aber die Reichen sind nicht ein gemeinsam Volk, da ist jeder für sich und nur dann sind sie gemeinsam, wenn sie eine Beute teilen auf Kosten des Volkes.“  [...]"
 
Oben verlinktem Wikipedia-Artikel entnommen.
 
Dieser Abend, Bettina, es ist
Alles beim alten. Immer
Sind wir allein, wenn wir den Königen schreiben
Denen des Herzens und jenen
Des Staats. Und noch
Erschrickt unser Herz
Wenn auf der anderen Seite des Hauses
Ein Wagen zu hören ist.
 
Sarah Kirsch, Wiepersdorf
 
 
"(...) Nein, Bettine ist wirklicher in mir geworden, Abelone, die ich gekannt habe, war wie eine Vorbereitung auf sie, und nun ist sie mir in Bettine aufgegangen wie in ihrem eigenen, unwillkürlichen Wesen. Denn diese wunderliche Bettine hat mit allen ihren Briefen Raum gegeben, geräumigste Gestalt. Sie hat von Anfang an sich im Ganzen so ausgebreitet, als wär sie nach ihrem Tod. Überall hat sie sich ganz weit ins Sein hineingelegt, zugehörig dazu, und was ihr geschah, das war ewig in der Natur; dort erkannte sie sich und löste sich beinah schmerzhaft heraus; erriet sich mühsam zurück wie aus Überlieferungen, beschwor sich wie einen Geist und hielt sich aus. Eben warst du noch, Bettine; ich seh dich ein. Ist nicht die Erde noch warm von dir, und die Vögel lassen noch Raum für deine Stimme. Der Tau ist ein anderer, aber die Sterne sind noch die Sterne deiner Nächte. Oder ist nicht die Welt überhaupt von dir? denn wie oft hast du sie in Brand gesteckt mit deiner Liebe und hast sie lodern sehen und aufbrennen und hast sie heimlich durch eine andere ersetzt, wenn alle schliefen.
 
Du fühltest dich so recht im Einklang mit Gott, wenn du jeden Morgen eine neue Erde von ihm verlangtest, damit doch alle drankämen, die er gemacht hatte. Es kam dir armselig vor, sie zu schonen und auszubessern, du verbrauchtest sie und hieltest die Hände hin um immer noch Welt.
Denn deine Liebe war allem gewachsen. Wie ist es möglich, daß nicht noch alle erzählen von deiner Liebe? Was ist denn seither geschehen, was merkwürdiger war? Was beschäftigt sie denn? Du selber wußtest um deiner Liebe Wert, du sagtest sie laut deinem größesten Dichter vor, daß er sie menschlich mache; denn sie war noch Element. Er aber hat sie den Leuten ausgeredet, da er dir schrieb. Alle haben diese Antworten gelesen und glauben ihnen mehr, weil der Dichter ihnen deutlicher ist als die Natur. Aber vielleicht wird es sich einmal zeigen, daß hier die Grenze seiner Größe war. Diese Liebende ward ihm auferlegt, und er hat sie nicht bestanden. Was heißt es, daß er nicht hat erwidern können? Solche Liebe bedarf keiner Erwiderung, sie hat Lockruf und Antwort in sich; sie erhört sich selbst.
Aber demütigen hätte er sich müssen vor ihr in seinem ganzen Staat und schreiben, was sie diktiert, mit beiden Händen, wie Johannes auf Patmos, kniend. Es gab keine Wahl dieser Stimme gegenüber, die ›das Amt der Engel verrichtete‹; die gekommen war, ihn einzuhüllen und zu entziehen ins Ewige hinein. Da war der Wagen seiner feurigen Himmelfahrt. Da war seinem Tod der dunkle Mythos bereitet, den er leer ließ. (...)"
 

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S
Es ist eine Freude, in die Biografien und Hintergründe (und auch deren Lyrik) der Frauen einzutauchen, die Du hier vorstellst!<br /> Wenn Du schon bei Bettina von Arnim bist: diese Frauen aus ihrem Umfeld könntest Du auch vorstellen:<br /> Karoline von Günderrode. Hier ein Zitat von ihr: "Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit“, bekannte sie mit einundzwanzig Jahren. „Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unseliges, aber unverbesserliches Mißverhältnis in meiner Seele; und es wird und muß so bleiben, denn ich bin ein Weib und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd und uneins mit mir."<br /> <br /> Rachel Varnhagen von Ense fasziniert mich schon länger. Ich hätte gerne ihren Berliner Salon besucht, in dem alle Berühmtheiten dieser Zeit ein und aus gingen.
K
... Gibt sicher noch so einige interessante "Frauen (in) der Geschichte" - deren Wirken, deren Werk, deren Leben und "Schicksale". Kann aber ja nicht alle einstellen. ;) Wähle daher schlicht nach meinem persönlichen "Gusto" aus. :P - Frauen, die mich durch ihr Werk und/oder ihr Leben, aber eben auch ihre Persönlichkeit beeindrucken, bewegen, ansprechen ... . Bin aber für Anregungen immer offen. :)
K
Ja, ich hänge was über Karoline unten an. Immerhin hat auch sie sich suizidiert. ;)