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Sabeth schreibt

Poesie Melancholie Philosophie Feminismus Anarchismus - non serviam.

Otto Rank - psychologische Relativitätstheorie sowie über die Bedeutung der Persönlichkeit des Therapeuten

"[...] Ähnlich wie der elf Jahre ältere Ferenczi richtet Rank seine Aufmerksamkeit auf die konkrete analytische Situation und nimmt die Analytiker-Analysand-Beziehung in den Blick. Ihm zufolge ist die Psychoanalyse ein „individuell bestimmter, zeitlich begrenzter Vorgang innerhalb der Libido- und Ichentwicklung des Patienten“. [...]

 
Zwar knüpfen sie damit an Freuds Arbeit „Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten“ an, doch wo Freud vor allem auf das Erinnern abstellt und die Wiederholung als Zeichen von Widerstand ansieht, sehen Rank und Ferenczi gerade in der Reproduktion beziehungsweise im Wiederholungszwang jenes Material, das nicht einfach erinnert werden kann. Denn Reproduktionen sind entstellte Mitteilungen des Unbewussten, die zunächst unverständlich sind. Dabei bildet den Schwerpunkt der Behandlung nicht die Klärung der Vergangenheit des Patienten, sondern die Probleme neurotischer Menschen liegen Rank und Ferenczi zufolge in ihrer Gegenwart. Im Widerstand wehrt das Ich sich gegen die Reproduktionen und gegen die Interpretation des Widerstands.
Laut Rank liegt das Seelische jedem menschlichen Leben zugrunde. Er versteht darunter einen „dynamischen Dualismus“ – die Spannung zwischen Gegensätzlichem zieht sich durch sein ganzes Werk: Männliches und Weibliches, Vererbung und Umwelt, Rationalität und Irrationalität, Konstruktion und Destruktion. Folgerichtig gibt es weder die Psychoanalyse noch die Psychologie, sondern nur deren widersprüchliche Vielfalt. Diese Feststellung bildet den Kern von Ranks „psychologischer Relativitätstheorie“, die er im Übrigen auch auf sich selbst angewendet wissen will. [...]
 
Beim Versuch, Seelisches aus seinen Ursprüngen zu erklären, finden Psychoanalytiker seelische Traumatisierungen bereits in den ersten beiden Lebensjahren. Sind noch frühere seelische Verletzungen denkbar? Rank zufolge wird der Mensch entscheidend durch seine Geburt geprägt. Dabei komme es durch Luftnot und den Austritt aus dem warmen Mutterleib zu schweren Angstgefühlen, die sich im späteren Leben bei Trennungen aus einer schützenden Umgebung wiederholen. Damit bestimmen Angst und die Möglichkeiten ihrer Bewältigung wesentlich das Leben jedes Menschen. [...]
 
Doch im zweiten Band der „Technik“ und in „Wahrheit und Wirklichkeit. Entwurf einer Philosophie des Seelischen“ (beide 1929) vertritt Rank eine Philosophie des menschlichen Willens und seiner Kreativität sowie die Notwendigkeit von Illusionen. Damit verlässt er den Bereich psychoanalytischer Theorie und geht endgültig seinen eigenen Weg.

Nach Rank lassen psychoanalytische Behandlungsmethoden nicht erkennen, worin ihr „therapeutisches Medikament“ besteht, was also zur Heilung führt. Die Annahme, das bloße Finden des „Fehlers im Entwicklungsgang“ habe bereits therapeutische Folgen, hält er für einen Irrtum. Was in der therapeutischen Situation und in jeder zwischenmenschlichen Beziehung wirkt und weiterführt, ist ihm zufolge der Wille: „Die Macht des Willens ist so groß und seine Äußerungen im Individuum wie in der Menschheit so offenkundig, dass man Bände und Bibliotheken mit der Schilderung menschlicher Willensakte (. . .) füllen könnte (. . .).“
An der Psychoanalyse kritisiert Rank, dass sie den Menschen nicht bloß gesund, sondern auch ,gut‘ machen wolle: „(. . .) das ,Schlechte‘, das Erzübel ist der Wille, gleichgültig, ob man ihn wie Freud biologisch als Sexualtrieb (Libido) oder wie Adler soziologisch als Herrschsucht oder pädagogisch als Trotz interpretiert.“ Der Hilfesuchende leidet nur scheinbar an einer Willensschwäche. Tatsächlich hat er einen starken Willen, den er aber durch Verleugnen, Rationalisieren, Projizieren brechen muss, weil er ihn nicht verwirklichen kann. Wo Freud das „Normale“ zum Maßstab nimmt, orientiert Rank sich am Künstler. Der rebelliert gegen die Mittelmäßigkeit, bejaht seinen Eigenwillen und schafft sich eine eigene Welt. Wenn der Analytiker sich zurückhält und die Selbstentfaltung des Gegenübers in den Vordergrund stellt, kann der Wille zu schöpferischem Ausdruck finden.
 
Die Persönlichkeit des Therapeuten sieht Rank als einen der wirkungsvollsten Faktoren der Behandlung. Dass man diese durch eine Lehranalyse ausbilden könne, bezweifelt er: „Denn mit der besten analytischen Unterweisung vonseiten des Lehrers und den besten Überzeugungen des Schülers schafft man noch keinen Psychotherapeuten, ein Beruf, zu dem man vielleicht mehr als zu jedem anderen berufen sein muss.“ (1929) Das „Ausschlaggebende des Persönlichkeitsmoments“ sieht er dadurch belegt, dass gerade die erfolgreichsten Analytiker nicht analysiert gewesen seien. [...]"
 
Aus oben stehendem Link (Deutsches Ärzteblatt) zitiert - farbliche Hervorhebungen habe ich vorgenommen.
 

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S
Rank hatte übrigens ein Verhältnis mit Anaïs Nin. Wenn Du wieder Deine "Starken Frauen" hier im Blog auftreten lässt, sollte sie nicht fehlen.
K
... ja, mal seh´n ... . :) Ist im Moment noch ziemlich viel, das darauf wartet, (im blog) (wieder) "sichtbar gemacht" zu werden. (Kostet blöderweise alles so viel Zeit ... . =/ ;D )