Habe mir die Sendung - "Precht - Mehr Fortschritt, mehr Wohlstand, mehr Glück?", 3sat, 19.05.2019 - nach langer Zeit ein Mal wieder angesehen. Kann mein Erstaunen (oder ist es schon Entsetzen?) kaum verbalisieren, insbesondere bezüglich des Fazits dieser Sendung, das da lautet: "mehr Pflicht(en), damit die Leute glücklich(er) sind/werden".
Das ist ein (links-) "intellektueller" Ansatz? - Das ist Regression auf ganzer Linie, mit Anlauf und Salto.
Werden eigentlich alle alternden Männer (und Frauen) um die 50 aufwärts irgendwann reaktionär?
Was die beiden hier durcheinandergeworfen und zusammengewürfelt haben an reiner Spekulation und je persönlichem Welt-, Menschen- und Selbstbild, ist stellenweise erschreckend.
Zur Sache: Pflicht und Freiheit gehörten zusammen, wurde da verlautbart. - Ihr verwechselt Pflicht (also Fremdbestimmung) mit Verantwortung. Ich hoffe, es muss einem Philosophen nicht erläutert werden, dass es einen Unterschied zwischen Pflicht und Verantwortung gibt und worin er besteht.
Verantwortung jedenfalls legt man sich "idealerweise" selbst auf, das wiederum hat mit Werten und Idealen, mit Charakter, Persönlichkeit, siehe bspw. Gewissenhaftigkeit, Integrität, Mitgefühl ... zu tun.
Ja: Es öffnen sich neue Räume durch Widerfahrnisse - denen wir ohnehin im Leben ausgesetzt, manchmal auch ausgeliefert sind. Dafür bedarf es keiner oktroyierten Pflichten.
Prechts Paternalismus lässt jedenfalls in Bezug auf seine persönlichen Einstellungen, Überzeugungen, sein persönliches Menschenbild tief blicken, insbesondere, da er behauptet, die Menschen müssten also "ein wenig geschubst werden" - über auferlegte Pflichten. Das mache sie quasi zu besseren, prosozialeren, kooperativeren, solidarischeren und nebenbei überdies zu "glücklicheren" Menschen. - Ich fasse es einfach nicht. Ernsthaft. Begründung habe ich oben bereits geliefert.
Nochmal: Nein, durch Zwang, Druck, Kontrolle, Dressur wird kein Mensch reifer, bewusster, mitfühlender, liebesfähiger, altruistisch(er), also fähig zu geben, zu teilen, zu kooperieren, Verantwortung zu übernehmen und zu tragen, i n t e g e r zu sein.
Muss man einem Philosophen und einer Schriftstellerin ernstlich erklären, was intrinsische Moral ist, dass und warum sie die Urbasis jeglicher verstand-, vernunftbasierter Ethik ist und wie diese intrinsische Moral zustandekommt, worauf sie sich gründet, nämlich auf das jedem Menschen angeborene Mitgefühl, wie sie gestärkt, gefördert wird, werden kann und womit man sie zunichte macht - nämlich mit Dressur, Zwang, Druck, Kontrolle, Ideologie, Religion? - Ich fasse es schon wieder nicht.
Juli Zeh äußert dann überdies, Menschen erlebten es im Nachhinein oft so, dass etwas (Situationen, Verhältnisse, Widerfahrnisse, "Pflichten" ...) sich ihnen, im Nachhinein, als "das eigentlich Richtige" herausgestellt habe. - Schon mal mit Selbstbetrug befasst und damit, dass es typisch menschlich ist, im Nachhinein Dinge positiv umzudeuten, um damit zurandezukommen, um zufrieden sein zu können, obgleich es eigentlich faktisch gerade nun "danach" nicht tatsächlich besser oder gut ist?
Stichwort Umdeutung, reframing.
Ich fasse es ein weiteres Mal nicht, dass man so etwas anmerken muss - gegenüber zwei (Links-) Intellektuellen.
Und am Ende sind sie sich einig darüber, dass es sie je persönlich auch entlastet habe, wenn sie einfach mal was aufgrund von Pflicht(en) tun mussten, ihnen also Freiheit, Selbstbestimmung und Verantwortung abgenommen wurden: durch Fremdbestimmtsein, durch auferlegte Pflichten.
D a s legt nun wirklich die zugrundeliegende je persönliche psychische Verfasstheit demonstrativ offen.
Und dann projiziert man seine eigene Unfähigkeit - mit Freiheit und Verantwortung, mit (Selbst-) Erkenntnis, Sinnfindung, Selbstbestimmung und Geworfensein, Kontingenz, Zufall nicht umgehen zu können, sich daher Pflichten mehr oder minder freiwillig unterwerfen zu wollen - auf andere, auf a l l e anderen.
Habe ich schon erwähnt, dass ich es nicht fassen kann?
Also wenn man nun schon zwei erwachsenen (?), überdies (links-) intellektuellen, vermeintlich reflektierten (?), lebenserfahrenen (?) Menschen tatsächlich erst noch erläutern muss, dass und warum Altruismus, Kooperationsfähigkeit, Solidarisieren, faires, prosoziales, zugewandtes, mitfühlendes Verhalten, T u n, letztlich also Teilen, Geben, LiebeN (b i t t e lest doch einfach mal wieder ein bisschen Erich Fromm und Emmanuel Lévinas, gerne auch Arno Gruen) auf je persönlicher Herzens- und Charakterbildung, auf (Selbst-) Erkenntnis, Reflexionsfähigkeit und (angeborenem) Mitgefühl basieren nicht muss, sondern nur kann - und gerade nicht auf auferlegter, fremdbestimmender, oktroyierter, "geschubster" Pflicht - dann falle ich nun endgültig vom "Glauben" ab. Kinder. Das ist nicht euer Ernst. Bitte.
Übrigens: Ja, von dieser Sendung bin ich de facto genervt. Deshalb befasse ich mich fortan nicht mehr damit, sondern mit Gehaltvollem, Substanzhaltigen, Anregenden, Horizont Weitenden.
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