Du sollst dir kein Bildnis machen - oder: Kann Liebe sterben?
Es ist eine wundersame Sache mit Bildern, Darstellungen von Menschen, welche Wirkung sie auf den Betrachtenden haben können - nicht erst seit es Photographie gibt, wie wir wissen - "Dies Bildnis ist bezaubernd schön ...".
Manchmal fühlt man sich von einem einzigen Bild, dem bloßen Gesicht eines einem völlig fremden Menschen, den man persönlich, leibhaftig nie je sah, den man nie je erlebte (sprach, hörte, roch ...), so an-, hingezogen, allein aufgrund bspw. seines (Gesichts-) Ausdrucks, dass man wie gebannt ist.
Ich meine damit nicht den Eindruck bloß äußerlicher, etwaig bestehender Attraktivität eines Menschen, die durchaus sehr beeindruckend sein kann, sondern eher, dass man meint, am Gesicht eines Menschen doch ein Stück weit seinen Charakter, seine Persönlichkeit herauslesen zu können - wiewohl mir bewusst ist, dass und wie sehr man sich hier täuschen kann.
Es verhält sich dann so, dass man den Mensch gar nicht unbedingt real kennenlernen möchte, gerade weil man sich das Bild, das man sich von ihm macht(e), erhalten, es nicht zerstört sehen möchte.
Ähnlich kann es einem auch mit der nur gehörten Stimme eines Menschen gehen oder mit von ihm schriftlich Formuliertem, das Gesicht aber "ergreift", wirkt (über eben das Sehen) wohl letztlich doch sehr viel direkter, unmittelbarer.
Es ist gerade der Ausdruck in, auf, aus einem Gesicht, der einen so anspricht, in seinen Bann zieht - die Gesamterscheinung, nicht nur einzelne Details wie Blick, Nasen- oder Lippenform, Hautbeschaffenheit ....
Und der so viel Interpretations-, auch Projektionsspielraum bietet.
Ich bin fasziniert davon, dass ein Gesicht eines fremden Menschen so faszinieren kann. Unabhängig übrigens von Alter und/oder Geschlecht.
Aber es gibt natürlich auch ein erotisches Hingezogensein durch ein Bildnis oder auch den eigenen, subjektiven Eindruck von "Seelenverwandtschaft", des Gleichgesinntseins - von Gemeinsamkeiten also - in Bezug auf Charakter, Persönlichkeit, "Temperament", Wesensart.
In letzterem Falle - dem Eindruck der "Seelenverwandtschaft" - ist es besonders bewegend. Und genau deshalb ist man besonders vorsichtig, zurückhaltend, will man einen "Realitätsabgleich" deshalb vielleicht vermeiden, weil man sich seine Illusion bewahren möchte.
Warum schreibe ich darüber, über etwas so vielleicht Banales, Profanes? Weil es mir persönlich bisher nur selten passiert (ist).
Man findet Menschen attraktiv oder auch nicht, interessant oder auch nicht, reizvoll oder auch nicht - aufgrund von Bildern, Fotos, die man von ihnen sieht, nur selten aber hat man, so meine ich, dieses Angerührtsein und dabei zugleich dieses Gefühl von Fragilität, Zerbrechlichkeit, Verletzlichkeit - des Bildes, der Illusion letztlich.
Mit der Folge, dass man trotz durchaus bestehender Neugier (ob die Realität das selbst gemachte Bild verifiziert oder zerstört) lieber auf den Realitätsabgleich (in welcher Form auch immer) verzichtet. Einfach, um sich diesen schönen Eindruck zu bewahren.
Denn letztlich ist es wohl doch so, dass in den seltensten Fällen die Realität dem zuvor gemachten Bild entspricht, sondern eher Ent-Täuschung erlebt wird - und das gerade nicht (nur) bezogen auf Äußerlichkeiten, sondern insbesondere gerade den Charakter, die Persönlichkeit des betreffenden Menschen.
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