Zur Sendung "scobel – Tod des Feminismus?"
Werter Gert Scobel, es war vor allem wegen der Wortbeiträge Anke Domscheit-Bergs und Rolf Pohls (über dessen Gastsein in der Sendung/zu diesem Thema ich mich gefreut habe) eine sehenswerte Sendung.
Was leider nur randläufig zur Sprache kam, war die massive Gewalt - nicht nur, aber gerade auch sexuelle Gewalt - die durch Männer an Frauen global getätigt wird und dies eben auch in Deutschland in Form von häufig "häuslicher/Beziehungsgewalt", die meisten Vergewaltigungen finden in diesem Rahmen statt, d.h. die meisten Frauen/Opfer/von sexueller Gewalt Geschädigte kennen den/die Täter - meist sogar gut, stehen mit ihm in einem Vertrauensverhältnis. Dies hätte, wie auch die global erheblich noch immer verbreitete und häufig grausame physische wie psychisch-emotionale Gewalt, die Frauen weltweit durch Männer erleiden, doch etwas mehr Raum in der Sendung einnehmen dürfen, wie ich meine.
Wichtig und gelungen waren bzw. sind die Informationen zum BACKLASH - ausdrückliches Lob hierfür; denn dieser stellt ein leider erhebliches Entwicklungshemmnis für "die Menschheit" dar und aktuell eben wieder besonders ausgeprägt wirkend.
Über die Ursachen, Hintergründe dessen (siehe gerade im Zusammenhang mit psychologischen und je individuellen Faktoren, siehe bspw. autoritärer Charakter (nach Erich Fromm), narzisstische Persönlichkeitsstörung, Rechtskonservatismus bis Rechtsextremismus (Entstehungsursachen hierfür) könnte man sicherlich eine eigene Sendung gestalten.
Mehr Raum hätten die Entstehungsgeschichte von, die Entstehungsgründe für Feminismus einnehmen können und auch eine intensivere Begriffsanalyse bzw. -bestimmung (was meint wer aus welchen Gründen mit "Feminismus", welche Wissenslücken und Vorurteile gibt es hier, warum wird gerade in Schulen darüber noch immer nur wenig bis gar nicht "aufgeklärt", informiert ...). Leider wurde der Fokus überwiegend auf die ungleiche Bezahlung (gender pay gap) gelegt, was ebenfalls wichtig ist, aber doch nicht "Feminismus", dessen Inhalte, Ziele (Gleichberechtigung, Gleichwürdigkeit) alleine oder vorrangig ausmacht.
Missfallen hat mir, dass im Zusammenhang mit früher Fremdbetreuung ein "Mütterkult aus NS-Zeiten" erwähnt wurde - und es in der gesamten Sendung nicht einen Moment um eben Mutterschaft, Kindeswohl, Bindung, bedürfnisorientierten Umgang mit Kindern und inzwischen längst bekannten, negativen Folgen von früher Fremdbetreuung ging.
Und somit auch nicht um all die Themen, die Mutterschaft "tangieren" - wie bspw. das Pathologisieren von Schwangerschaft, Geburt und Wechseljahren, das Technisieren von Geburt und Zurückdrängen von Hebammen, das Auslagern und vermeintliche/vorgebliche Professionalisieren von Sorge-Arbeit - aus wirtschaftlichen Gründen ... .
Nur nebenbei wurde (das so wichtige Recht auf) Abtreibung erwähnt.
Um vor allem häusliche Sorge-Arbeit (sogenannte Reproduktionsarbeit), um das gesellschaftliche Anerkennen derselben und erforderliche angemessene, monetäre Honorieren (durch ein Mütter- bzw. Sorge- bzw. Familiengehalt) ging es: gar nicht.
Nein, es ist gerade nicht im Sinne der Frauen, Kinder immer früher und länger in Fremdbetreuung geben zu sollen bzw. zu müssen, um dem Erwerbsarbeitsmarkt bzw. der Wirtschaft schnellst möglich wieder zur Verfügung stehen zu können bzw. zu sollen.
Es wurde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur randläufig erwähnt und dabei so getan, als brauche es dafür nur mehr Krippenplätze und Ganztagesschulen - dies ist unzweifelhaft falsch und überdies manipulativ. - Schade.
Vielleicht machen Sie doch genau hierüber - Mutterschaft, Sorge-Arbeit, Elternsein (-können/-dürfen) - nochmal eine eigene Sendung? - Worum es darin bevorzugt gehen müsste, ist ein anderes Wohnen, Arbeiten, Wirtschaften (siehe Wirtschaft der Fürsorge, Gemeinwohlökonomie ...), somit um deutlich veränderte, "alternative" Wohnformen (die bisher leider nur Privilegierten zugänglich sind) - generationenübergreifend, in Form von Wahlverwandtschaften ... . Hierfür ist unabdingbar eine andere Städteplanung, Architektur, die gemeinschatliches Wohnen ermöglicht (nicht nur in einer Wohnung oder einem einzigen Haus, sondern in Form von auch größeren Wohngemeinschaften) und damit die Abkehr von der - isolierenden - Kleinfamilie.
Es müsste um andere Arbeitsstrukturen gehen, gerade für Sorgende, die noch immer mehrheitlich Frauen sind und das weltweit. Und um also auch einen veränderten Arbeitsbegriff, der Sorge-Arbeit endlich als für jede Gesellschaft absolut unentbehrliche Arbeit, Leistung, angemessen einbezieht, anerkennt - mit entsprechend resultieren zu habenden Folgen (siehe, wie oben bereits ausgeführt).
Ja, da alles mit allem letztlich doch immer zusammenhängt, müsste es auch um Schulbildung und um eben Erziehung, Sozialisation, bedürfnisorientierten Umgang mit Säuglingen-, Klein- und Schulkindern gehen. Hier liegt beklagenswerterweise noch einiges im Argen.
Und schließlich wurden leider auch Pornographie und Prostitution in der Sendung nicht mit einer Silbe erwähnt - in einer Sendung über Feminismus.
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"Tagtäglich sorgen Frauen dafür, dass die Wirtschaft läuft – so wie wir es gewohnt sind und so wie es das Wirtschaftssystem verlangt. Das tun sie in ihren bezahlten Jobs, ganz erheblich aber auch durch ihre unbezahlte, beinahe unsichtbare Arbeit: Frauen verrichten insgesamt 75 Prozent der unbezahlten Pflege- und Sorgearbeit, und damit zwei- bis zehnmal so viel wie Männer. Der globale monetäre Wert dieser Arbeit wird auf zehn Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt!
Damit subventionieren Frauen Wirtschaft und Staat – denn das, was sie unbezahlt übernehmen, muss nicht in Form von höheren Löhnen durch die Wirtschaft oder durch mehr öffentliche Angebote vom Staat finanziert werden. Man stelle sich vor, Frauen würden sich der unbezahlten Pflege- und Sorgearbeit verweigern – die Arbeits- und Wirtschaftswelt würde still stehen.
Für Frauen und Mädchen steht die Welt zurzeit allerdings nicht still, sondern scheint sich rückwärts zu drehen. Das bezieht sich nicht nur auf die aktuelle Rhetorik von Regierungsverantwortlichen (zu der es an dieser Stelle keine Beispiele gibt, denn in diesem Blog ist für Diskriminierung, Sexismus und Frauenfeindliches kein Platz).
Der Rückwärtstrend manifestiert sich auch in Zahlen: Bei dem aktuellen Tempo, in dem sich Wandel vollzieht, und in Anbetracht der größer werdenden wirtschaftlichen Disparität zwischen Frauen und Männern, wird es 170 Jahre dauern, bis gleiche Löhne für gleiche Arbeit gezahlt werden, bis genauso viele Frauen wie Männer einer bezahlten Arbeit nachgehen und bis schließlich auch in den Führungsetagen ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern herrscht. Damit sind wir, global betrachtet, auf das Level von 2008 zurückgefallen. Das ist ein heftiger Rückschritt und zeigt, dass es in vielen Ländern nicht mehr darum geht, neue Rechte und Fortschritt zu erkämpfen, sondern darum, das Erreichte zu verteidigen.
Wir brauchen nicht Geduld, sondern Einsatz
Vieles scheint auf dem richtigen Weg zu sein und man mag glauben, dass sich Geschlechtergerechtigkeit mit ein bisschen Geduld irgendwann von alleine einstellt, weil ja alles andere auch absurd wäre.
In Politik und Wirtschaft hingegen ist es an der Zeit den Fokus zu verschieben: Es darf nicht länger nur darum gehen, wie Frauen zur Wirtschaft beitragen können, sondern darum, wie die Wirtschaft für Frauen funktionieren und zu Gleichberechtigung und Gerechtigkeit beitragen kann!
Mehr zum Thema finden Sie in unserem aktuellen Report „An Economy that Works for Women“. [...]"
Quelle: oxfam.de - "Ohne Frauen steht die Welt still"; Hervorhebungen habe ich vorgenommen.
"[...] Der Welt-Artikel zeigt einen weiteren langweiligen Versuch, den Feminismus seines angeblichen Anachronismus zu überführen. Die Autorin geht davon aus, dass, nur weil wir jetzt bei ein paar Spielen mitspielen dürfen, auch gleichberechtigt sind. Also, wir dürfen arbeiten gehen, zum Militär, sogar Firmen leiten. Wer nur Ellenbogen genug hat, ist gleichberechtigt. Dabei übersieht sie geflissentlich, dass die Tatsache, dass wir zu all unserer reproduktiven Arbeit, die wir natürlich weiterhin ausüben sollen, nun auch noch Lohnarbeit leisten, keine Freiheit ist, sondern nur ein neues, zusätzliches Gefängnis. Die Leine ist vielleicht länger geworden, doch frei sind wir nicht. Im Gegenteil: Aus uns wird dank Porno, Prostitution, Popmusik und Schönheitsindustrie eine sexuell verfügbare Klasse geformt, die nur dazu da ist, Geld auszugeben, das sie nicht hat und gleichzeitig dem als Gegensatz entworfenen männlichen Teil der Gesellschaft sexuell zur Verfügung zur stehen, ob nun als Pornodarstellerin, Prostitutierte, Opfer von Belästigung und sexueller Gewalt oder Sexismus. Patriarchat und Kapitalismus gehören zusammen, obwohl beide in ihren Wirkmechanismen voneinander zu unterscheiden sind. Das Patriarchat gab es schon vor dem Kapitalismus und Patriarchat im Kapitalismus ist etwas anderes als zum Beispiel in der Antike. Damals sagte man nämlich einfach, dass Frauen dumm sind und dem Manne unterstehen, heute verkauft man uns eben das als unsere ureigenste Freiheit – so nach dem Motto: Ihr könnt doch jetzt wenigstens wählen, wer euch unterdrückt. Für die Idee, dass wir Frauen ein eigenes Wertesystem jenseits patriarchaler Maßstäbe entwickeln könnten, soweit reichen Fantasie und Verstand dann doch nicht.
Vom Ekel und dem Patriarchat
Es ist bezeichnend, dass die Autorin des oben genannten Artikels von „Ekel“ im Zusammenhang mit dem Feminismus spricht. Damit greift sie eine männliche Wertekategorie auf, die besonders auf das Aussehen von Frauen, im besonderen Feministinnen angewendet wird. Das Fehlen der gesellschaftlich als „weiblich“ betrachteten Attribute löst, insbesondere bei Männer, „Ekel“ aus, den sie sogleich auch kundtun, natürlich gesellschaftlich akzeptiert. Wenn aber alte Männer tatschen, sexistische Witze reißen, wenn Hollywoodgrößen Kinder vergewaltigen und Politiker sich nackte Kinder ansehen, um sich daran zu erregen, dann redet niemand von Ekel. Auch nicht, wenn Deutschland auf Platz eins der Pornoschauer liegt und eine halbe Millionen Frauen hierzulande in Bordellen und auf dem Straßenstrich um ihr physisches und psychisches Überleben kämpfen. Da wird dann immer gleich mit der Freiheit argumentiert – eine ebenso häufige, wie hohle Phrase im neoliberalen Kapitalismus. Hier wäre das Wort „Ekel“ sehr viel angebrachter, als im Zusammenhang mit dem Feminismus. Warum ekeln wir uns nicht ein bisschen vor diesen Männern, mit denen wir da zusammen leben, die es erregend finden, wenn eine Frau von mehreren Männern vor der Kamera vergewaltigt wird, die einer Prostituierten 20 Euro bezahlen, um in ihrem Mund defäkieren zu können? Was ist mit den Aussagen männlicher Politiker und Richter, die Frauen die Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper verwehren, weil Männer ja besser wissen, was gut für uns ist? Die Pille danach ist schlecht, Abtreibung auch, aber so eine Vergewaltigung ohne echte Lebensgefahr ist nun wirklich nicht das Drama wert, das einige von uns daraus machen – und da bekommen Frauen keinen Brechreiz?
Es ist das Patriarchat, das die kapitalistische Ellenbogengesellschaft begünstigt, die gnadenlose Ausbeutung von Arbeitskraft und die Zerstörung der Natur, das Kriege und Nationalismus fördert und Hand in Hand mit dem globalen Kapitalismus arbeitet. Wenn das Patriarchat, die Unterdrückung der Frau, für den Kapitalismus nicht so ungemein nützlich wäre, wir könnten sicher sein, es wäre längst Geschichte. In dem aber ein Gegensatz zwischen den Geschlechtern zementiert wird, schafft man sich Untertanen, die viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um das System an sich anzugreifen. Das führt dann zu solchen Blüten wie dem Welt-Artikel. [...]
Feminismus ist kein Ausdruck einer eigenartigen Verhaftung in der Vergangenheit. Er ist die Reaktion auf die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau, auf den Anspruch, ein Anrecht auf die Bewertung ihres Äußeren, ihres Lebenswandels, ihrer Sexualität zu haben. So lange es diese Unterdrückung gibt, so lange wird es jene geben, die sie kritisieren. Das Patriarchat in seiner ganzen Widerlichkeit aus Sexismus, Gewalt, Ignoranz und Zerstörung ist ekelerregend, doch um das zu benennen, muss man das patriarchale Wertesystem eben verlassen. Feministinnen zu bashen ist hingegen ein beliebter Volkssport innerhalb des Patriarchats, für den es nicht viel Hirnmasse braucht."
Quelle: diestoerenfriedas.de - "Hurra, wir leben im Patriarchat"
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