Morgenlied
Im May 1785.
Prächtig steigt die Sonne wieder
Aus der Morgenröthe Zelt,
Tausend, tausend Jubellieder
Singt ihr die erwachte Welt,
Und der Blumen süßes Düften
Steigt ihr auf in reinen Lüften.
Seht! wie ihr die Heerden hüpfen,
Hört! wie ihr die Taube girrt;
Rascher scheint der Bach zu schlüpfen
Der durch frische Wiesen irrt,
Und die kleinen Sommer Müken
Tanzen ringelnd ihr Entzüken.
Traurig siz ich in der Fülle
Lauter Freude rings umher,
Schwermuthsvoller, ernst und stille
Bleibt mein Busen freudenleer.
Ach! die Purpurstralen weken
Mir des Todes bleiches Schreken.
Weh mir! daß ich durch die Chöre,
Durch das Lied, das Leben singt,
Laut des Todes Röcheln höre
Das aus jedem Odem dringt,
In den Weyhrauch reiner Lüfte
Mischt sich Duft der Todtengrüfte.
Blumen, die dem Aufgang blühen,
Welken, wenn der Mittag sinkt,
Und von Wangen, die ihm glühen,
Todes Schweis der Abend trinkt,
Leichen, Gräber ohne Zahlen
Wird sein lezter Grus bestralen.
Tauche deine goldnen Flügel,
Erden Licht! ins Schatten Meer,
Streu um unsre Todenhügel
Nacht das tiefste Dunkel her,
Bis in Edens Sonnenwälzen
Unsrer Gräber Fesseln schmelzen.
Sophie Albrecht
Lied auf dem Kirchhofe
Sey leiser hier, du meines Kummers Klage,
Und seufze nur, was mich zu Gräbern beugt;
Verzeiht - verzeiht, ihr Todten, daß ichs wage
Zu jammern, wo des Schmerzes Stimme schweigt.
Nichts kann der Gräber stolze Ruhe stören,
Der Friede wohnt im stillen Schattenreich;
Drum will ich heilig eure Thäler ehren,
Ach! er, mein Herzensfreund, wohnt unter euch.
Mein Freund, der wieder all die süßen Bande,
Die längst die Welt von meinem Herzen riß,
Sanft knüpft', und mir im finstern Wechsellande
Elisiums ewig daurend Glück verhieß.
Die heiße Stirn gelehnt am kalten Steine,
Der meiner Trauer stummen Hügel deckt;
Rinnt sanft, ihr Thränen! wie im Frühlingshayne
Des Morgens Thau, der junge Rosen weckt.
Sie fließen nicht, dich Freyen zu beklagen,
Der nicht im Kerker der Verwesung wohnt;
Dir jauchz' ich zu, dem nun nach schwülen Tagen
Das kühle Wehn der Dulderpalme lohnt.
Dort seh ich dich den großen Morgen feyern,
Der nur an jenem Purpurufer tagt;
Wohin keins von des Lebens Ungeheuern
Durch Gottes Wachen sich hinüber wagt.
Nur mir, nur mir Gesunknen rinnt die Zähre,
Nur mich Verlaßne klagt dies Thränenlied;
Mir ist die Welt nur eine öde Leere,
Wo mir allein kein stiller Hügel blüht.
Er deckt mit dir auch alle bleichen Schrecken,
Die Gruft und Tod mir einstens schaudernd gab;
So muß die Nacht den jungen Morgen wecken,
Du starbst - und Heymath wird mir Tod und Grab.
Umschlungen unsrer schönsten Hoffnung Büste
Späh ich, ob bald der Kahn herüber schwimmt,
Der mich von der Verwesung schwarzen Küste
Zu dir - zu dir, mein Freund, hinüber nimmt.
Sophie Albrecht
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