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Sabeth schreibt - Lebenskunst für Laien

Poesie Melancholie Philosophie Feminismus Anarchismus - non serviam.

Über das Selbstmitleid, das Versagen sowie: Vom nachvollziehbaren "Wir können doch eh nichts ändern" zum infamen "Ihr seid doch selbst schuld!"

 
Mal wieder auf manipulative Weise verkürzend und schlicht falsch dargestellt: warum Menschen aufgeben - auch sich selbst.
 
Was meine ich damit:
Welche Vergleiche werden im Text bemüht? Diese lahmen schon auf allen vier Läufen.
Was hilft es uns, Säbelzahntiger heranzuziehen bzw. die Steinzeit zu bemühen, im Hinblick auf unsere aktuellen, globalen Probleme, die sich durchaus und selbstredend "entwickelt" haben, aber keineswegs durch das Tun und Entscheiden des "kleinen Mannes", des nicht-vermögenden, nicht einflussnehmenkönnenden Menschen. Noch nie so btw, siehe die Geschichte der Menschheit.

Und was das ewige Kämpfen angeht:
Während wir also "kämpfen", leiden wir auch - viele Menschen rings um den Globus. Sehr viele. Täglich.
Und das zumeist gerade ohne eigenes Verschulden der belastenden, beschädigenden leidvollen Lebensumstände, politischen, sozialen, persönlichen Verhältnisse.
Anderen geht es zur gleichen Zeit, zumindest ökonomisch, sehr gut - häufig wiederum ohne deren persönlichen Verdienst, eigene Leistung, sondern aus ganz anderen Gründen. Reichtum vererbt sich mehrheitlich, gleichermaßen materielle Armut, wie wir längst wissen und nach wie vor beobachten können.

Was will der Text also eigentlich suggerieren?
Welche Einflussnahme, wieviel Gestaltungsspielraum haben wir tatsächlich: je einzeln, je persönlich?
Wieviel Mitbestimmungsrecht mit welchen Folgen für wie lange?
Wie sieht es aus mit der faktischen "Demokratieteilhabe": wessen?
Und wie sieht es für all jene aus, die unter noch deutlich schlechteren Bedingungen (siehe Existenzgrundlagen, Wohlstand, Lebensqualität) existieren, vegetieren müssen?
 
Es ist perfide, all diesen Einzelnen dann überdies noch einzureden, sie seien an ihrem Elend je persönlich schuld, sie hätten es selbst verursacht und könnten es, so sie nur wollten, diszipliniert oder "stark" genug wären, jederzeit selbsttätig, eigenständig ändern.
Solche perfide Manipulation, Indoktrinierung, systematische zusätzliche Herabsetzung und Schwächung ohnehin bereits vielfach belasteter, benachteiligter, versehrter, beschädigter Menschen widert mich an.

Aber klar: Etliche Menschen brauchen ihn, diesen Selbstbetrug, diesen Zwangs- und Zweckoptimismus. Aus Gründen.
 
Und schließlich sind es genau diese verkürzenden, illegitimen, amoralischen, infamen Lügen, die bewirken, dass Menschen sich selbst aufgeben - eben weil sie sich ja oft jahre-, jahrzehnte-, nicht selten lebenslang vergeblich bemühen, dennoch auf keinen grünen Zweig kommen k ö n n e n, dürfen. Weil die sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozio-ökonomischen, regierungspolitischen "Verhältnisse", Entscheidungen, Gesetze ... sind, wie sie sind, wie sie von wohlhabenden, vermögenden, machthabenden Menschen gemacht und zementiert werden - zu nur ihrem eigenen Wohlstands-, Privilegien-, Einfluss-, Macht-, Vermögenserhalt.
 
Und wenn diese Menschen dann lange genug eingetrichtert bekommen, sie seien an ihrer Misere vollständig oder überwiegend selbst schuld, dann erniedrigt, beschämt, zermürbt, dann s c h w ä c h t sie das.
Am Ende steht der totale Verlust des Selbstwertgefühls, Selbstvertrauens, der Selbstwirksamkeit, Resilienz, ohnehin der Selbstbestimmung, Freiheit.
 
Sie werden gezielt, systematsich, absichtlich, vorsätzlich entwertet. Aus bekannten, oben genannten Gründen. Genau so, genau da will man sie haben: vernichtet.
 
Ginge es der Wirtschaft, den Mächtigen, den Entscheidern, den politisch Verantwortlichen tatsächlich um die bzw. um d e n Menschen, um soziale Gerechtigkeit, um bedürfnisorientiertes Gemeinwohl, sähe unsere Welt längst ganz anders aus oder würde zumindest allmählich auf einen entsprechenden Weg gebracht.
Wir alle wissen, warum genau das gerade nicht geschieht, obwohl es für "Alternativen" längst zahlreiche, praktible, realistische, umsetzbare Konzepte gibt, siehe bedürfnisorientierte, ethische, nachhaltige Gemeinwohlökonomie, feministische Ökonomiekritik, Wirtschaft der Fürsorge, Solidarwirtschaft, Permakultur, Soziokratie (Konsent-, statt Mehrheitsprinzip), Alternatives Handelsmandat (attac), gemeinschaftliches, generationenübergreifendes Wohnen (cohousing), zeitgemäßes Arbeiten (Arbeitsbegriff) ... .
 
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Für die Teilnahme an Kriegen und das Fördern und Schonen multinationaler Konzerne sowie andere neoliberal ausgerichtete Geschehnisse, Maßnahmen, Abläufe ist der unbemittelte, materiell arme, lohnabhängige, kapitalistisch ausgebeutete und verheizte Mensch kaum verantwortlich zu machen.
 
Ja, er darf in bspw. Deutschland, in repräsentativer/indirekter "Demokratie", alle vier Jahre sein Kreuzchen machen. Er darf sich auch in einer Partei selbst aktiv "einbringen" (Mitglied werden), so auch bei Gewerkschaften und diversen kommunalen, regionalen und überregionalen Initiativen, Organisationen, Vereinen, NGOs.
 
Aber wieviel und wie weitreichende Einflussnahme hat er hierbei worauf - hinsichtlich der Innenpolitik, der Europapolitik, der Außenpolitik oder auch nur hinsichtlich seiner Mitbestimmungs-, Mitgestaltungsmöglichkeiten?
Wieviel Demokratieteilhabe also hat er faktisch - bzw. diese gerade nicht und aus welchen Gründen hat und erhält er sie nicht bzw. "nimmt" sie sich nicht?

Ja, für das jeweils selbst gesetzte Kreuzchen ist der einzelne "Wählende" verantwortlich.
Aber: Warum wählt er welche Partei - auf Basis welcher (Fehl-) Informationen, Indoktrination, Ideologie(n), Propaganda, die er auf welche Weise (Medien) erhält - jeweils weshalb wie aufbereitet, auf Basis welcher persönlichen Überzeugungen, Werte, welchen persönlichen Menschenbildes?
 
Welche Einzelnen der Millionen, die unter Niedriglohn, Hartz IV, materieller Armut leiden, wählen überhaupt noch? Und was: die etablierten Parteien?
Sie wähl(t)en schon vor der "Flüchtlingskrise" nicht mehr oder noch nie. Sie wählten kleine Splitterparteien ("Protestwahl"), wenn überhaupt oder eben gar nicht. Aus ebenfalls längst bekannten Gründen:
 
Sie fühlen sich von etablierten neoliberal-kapitalistischen Parteien/Politik nicht wahr-, nicht ernstgenommen - sie w e r d e n es augenfällig nicht. Stattdessen werden sie verachtet, diffamiert, vorgeführt, entwürdigt und legalisiert auf Raten vernichtet, zuvor so intensiv und lange als möglich wirtschaftlich, kapitalistisch instrumentalisiert, ausgebeutet, verheizt. Menschenmaterial. Objekte. Objektifizierung von Menschen - Entwürdigung.

Wir wissen, dass es gerade mehrheitlich jene sind, denen es noch vergleichsweise gut geht oder auch sehr gut, die überhaupt noch und regelmäßig wählen gehen, die überdies aus Gründen gerade die etablierten neoliberalen Parteien wählen und die - jedenfalls einige dieser Bessergestellten, Privilegierten - außerdem auf noch und vor allem ganz andere Weise, anderen Wegen massiven Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können, dürfen und de facto nehmen, siehe Lobbyismus, siehe Korruption, "Interessenkonflikte", think tanks, Public Private Partnerships, Stiftungen usw..
 
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Über Selbstmitleid und Versagen
 
Wer entscheidet auf welcher Grundlage, welcher andere wann und weshalb "versagt" hat - wer bescheinigt sich dies aus welchen Gründen s e l b s t?
 
Was gilt in welcher Gesellschaft zu welcher Zeit aus welchen Gründen als Versagen, Versagthaben - mit welchen Folgen und noch wichtiger: aufgrund welcher Ursachen?
 
Die Frage ist also, wer was jeweils persönlich unter Selbstmitleid versteht, was mit der Zuschreibung desselben beabsichtigt ist, bezweckt wird: den Anderen zu diskreditieren, noch mehr zu schwächen? Meist ist genau das das Motiv, das Ziel.
 
Denn:
Wenn ein Mensch nicht mehr kann und/oder will, wenn er seine missliche Situation beklagt, nicht darüber schweigt, sondern sich dazu äußert, statt nur die glänzende Fassade vorzugaukeln - weil das Konvention ist, weil das in unserer kapitalistischen, narzisstischen Leistungs- und Verwertungsgesellschaft Gesetz ist - wird er ausgegrenzt, abgewertet, denn er zeigt Fakten, gesellschaftliche, politische Missstände auf, die für jene unbequem sind, die die Dinge gerne so beibehalten wollen wie sie sind, weil sie selbst davon profitieren und sie zu verantworten haben.
 
Dann kommen Sprüche wie "Jeder ist seines Glückes Schmid. Man muss stets das Beste daraus machen. Es ist alles eine Frage der Willensstärke, Disziplin und Leistungsbereitschaft." usw..
Hierbei geht es zweifelsohne um Manipulation und Indoktrination. Aus genanntem Grund.
 
Wenn es Menschen schlecht geht oder sie sich schlecht fühlen, hilft es ihnen jedoch absolut nicht, dann noch zusätzlich beschimpft, erniedrigt, verachtet und ausgegrenzt zu werden - sanktioniert, bestraft also. Das Gegenteil ist der Fall.
 
Wenn man jedoch zugestände, dass es nicht überwiegend oder überhaupt ihre eigene "Schuld" ist, dass sie "in misslicher Lage befindlich" sind, dass es nicht ihr persönliches Versagen ist, so müsste man die Ursachen in äußeren, in gesellschaftlichen, in politischen Gegebenheiten, Verhältnissen, Missständen verorten. Genau das will man jedoch aus bekannten Gründen, siehe oben genannt, nicht.
 
Man w i l l die Ungleichheit, die Ausbeutung aufrechterhalten, weil "man" davon profitiert.
 
Andere abwerten, um sich selbst vermeintlich aufwerten, um vorgeblich eigene (überdurchschnittliche) Leistungen herauskehren zu können. Selbstbetrug.
 
Charakterlich ist fraglos d a s die tatsächliche Armut.
 
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update 09. Juli 2022
 
Hartz IV, Armut - Gescheiterte, Versager, Schwache?
 
Freunde: Ich bin seit Kindheit unbemittelt, deshalb seit Jahren chronisch krank und sozial isoliert, aber meine Werte habe ich nie verraten. Drum: bin ich arm.
Frau, ledig, keine Ehe-Magd, alleinerziehend, authentisch, integer.
 
Und  w e i l ich meinen Werten und "Idealen" treu geblieben bin, weil ich seit frühester Jugend bis heute n i c h t opportunistisch, konformistisch, devot, untertänig, willfährig, konditionierbar, ängstlich war/bin, werde ich mit materieller Armut bestraft.
 
Was ich inzwischen, im Alter von nun fast 49 Jahren - jetzt erst, nicht in jungen Jahren - tatsächlich bereue, ist: zwei Kinder alleine in Armut umsorgt ... zu haben.
Das Bereuen hat seine Ursache in dieser Armut, im lebenslangen Entbehren - ohne jegliche Wertschätzung.
 
Als ich jung war, war ich (auch) noch naiv: vertrauensvoll, an Demokratie glaubend, dem Staat vertrauend, noch gesund, vital, mit Zukunft. Ja, das hat sich nach drei Jahrzehnten erheblich geändert.
 
Wer ist denn - vor sich selbst, eigenen Werten, Idealen, Grundsätzen, Überzeugungen - tatsächlich gescheitert, wer hat denn faktisch versagt: wer nach oben buckelt, nach unten tritt, wer käuflich, korrupt, falsch ist, wer sich unter die Knute der Verwertbarkeit knechten lässt.
All jene, die artig, gehorsam, konformistisch mit dem Strom schwimmen, um sich vermeintlich "geborgen, getragen, wertvoll" fühlen zu können, die sich in Drecksjobs, Maloche haben drücken lassen - für ein paar Gnadenbrösel oder in bullshitjobs das Gemeinwohl schädigen.
Werte? Ethik?
 
Und das, ihr Selbstgerechten, Selbstbetrüger, ist also eure brillante, vorzeigbare Leistung?
D a r a u f seid ihr "stolz"? Dass ihr euch ausbeuten, unterwerfen, knechten, funktionalisierbar, konditionierbar machen lasst: zu häufig nicht nur eurem eigenen Schaden ... !
 
Und dann erlaubt ausgerechnet ihr Philister euch, Versehrte, Beschädigte, Ausgegrenzte, materiell Arme herabzusetzen, zu verurteilen, über Moral, Anstand und Freiheit zu schwafeln, euch nicht selten einem "Gott" unterwerfend!?
Das: ist Scheitern.
 
Der Wert eines Menschenlebens bemisst sich nicht nach akademischen Titeln, Einkommenshöhe, Vermögensumfang, Narzissmusgrad (besetzten Machtpositionen), Ruhm, wirtschaftlicher Funktionalität und Verwertbarkeit.
Menschenwürde.
 
Mir geht es nicht um "Stolz". Was ich nicht verlieren möchte, ist meine Würde und Integrität.
 
All das äußere ich nicht, um mich über andere zu stellen, sondern um durchaus aber jenen die Stirn zu bieten, die versuch(t)en, mich hinters Licht zu führen, zu manipulieren, zu benutzen, zu beschädigen, zu entwerten.
Ich bin arm, aber nicht blöd. Und nicht mehr naiv.
 
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