Heimatlos
Wir ohne Heimat irren so verloren
und sinnlos durch der Fremde Labyrinth.
Die Eingebornen plaudern vor den Toren
vertraut im abendlichen Sommerwind.
Er macht den Fenstervorhang flüchtig wehen
und läßt uns in die lang entbehrte Ruh
des sichren Friedens einer Stube sehen
und schließt sie vor uns grausam wieder zu.
Die herrenlosen Katzen in den Gassen,
die Bettler, nächtigend im nassen Gras,
sind nicht so ausgestoßen und verlassen
wie jeder, der ein Heimatglück besaß
und hat es ohne seine Schuld verloren
und irrt jetzt durch der Fremde Labyrinth.
Die Eingebornen träumen vor den Toren
und wissen nicht, daß wir ihr Schatten sind.
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Der letzte Mensch
Laterne vor des Hauses Tor:
dein Widerschein im Abendschnee
liebkoste mich, der sich verlor
in Düsternis und Einsamweh.
Heim kehr ich. Kehr ich wirklich heim,
ist Fremde nicht längst mein Zuhaus?
Allein und Heim wird mir zum Reim.
Kein Mond steht über meinem Haus.
Und schloß ich dann das Tor, verlor
ich auch der Straßenlampe Gruß.
Als ob sich's wider mich verschwor,
bleibt alles stumm, was reden muß...
Im Schweigen harr ich wie verbannt,
nur Traumbild ist Schnee und Latern,
ich bin allein in totem Land:
der letzte Mensch auf letztem Stern.
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Und lande an dem schattenhaften Tor
Kaum ahnst du die Verdunkelung der Gedanken,
die noch das Hellste meines Tages quälen,
wenn ich nicht weiß, wo ich den Weg soll wählen
durch dies Gestrüpp, in das die Sterne sanken...
Du kennst von meinem krankhaft abgewandten,
wahrhaften Antlitz kaum die eine Falte,
du siehst nicht, wie ich schmerzhaft an mich halte,
die Scham zu schonen der von Gott Gesandten.
Und wie ich wandle, weiß ich nicht: wohin...
Und weiß nicht, ob ich irgendwem entwich,
ob dies zum Ende deutet, zum Beginn...
Und zwischen Meer und Wüste sucht mein Ich,
was es vielleicht für ewig längst verlor,
und landet leer an dem verschlossnen Tor.
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Rast auf der Flucht
Paris, September 1933
Laß mich das Leben noch schmecken,
eh die Vernichtung uns trifft:
Gaskrieg, Marter, Verrecken,
Bombe, tückisches Gift.
Sommerlich sind noch die Stühle
auf die Straßen gestellt,
Bilder, Farben, Gefühle,
Schmuck einer glücklichen Welt.
Gönne mir noch diesen weichen,
kindlich verspielten Genuß,
morgen vielleicht trifft zur gleichen
Zeit mich der tödliche Schuß.
Heut noch an Springbrunnen träumen
in den tönenden Tag,
sich an das Schöne versäumen
kurz vor dem Glockenschlag,
der das alles beendet,
dem letzten, den man vernimmt.
Was das Geschick dann sendet,
werde, wie es bestimmt.
Heut laß zum letzten Male
arglos und froh mich hier sein,
fülle die gläserne Schale
mir mit Abschiedswein!
Wird sie geleert zerscherben,
war ich doch göttlich zu Gast.
Gönne vor Kampf und Sterben
mir diese lindernde Rast!
-
I.
Es zieht etwas durch die Luft ...
So wie Rosenduft,
So wie Frühlingserwachen - - -
Ein verstecktes Lachen,
Ein geheimes Flüstern,
Bald keusch - bald lüstern -
Ein lockendes Singen,
Ein Klingen
Wie von bebenden Engelsharfen ...
Auf blütenbesätem Baum
Flötet die Nachtigall
Ihr Lied im Jubelschall ...
Drunter: ein schöner Traum,
Ein seeliges Märchen:
Kost ein Pärchen.
Fest umschlungen
Sitzen die Jungen:
Die leben die erste Wonne -
Golden leuchtet die Frühlingssonne.
II.
Es zieht etwas durch die Luft ...
So wie Grabesduft,
So wie Winterahnen,
Wie ein ernstes Mahnen,
Wie verhaltene Tränen,
Wie ein stilles Sehnen,
Wie ein leises Schlafen
Im Hafen,
Wie ein träumendes Schlummerlied ...
In schneeverwehter Hütte sitzt
am warmen Herd ein greises Paar.
Es schimmert silberweiß ihr Haar.
In ihrem Aug' ein Funke blitzt
von alter, heißer Liebesglut ...
Sein Runzelgesicht an ihrem ruht.
Die Hände gefalten
nicken verträumt die Alten:
und träumen den letzten Traum -
Der Eiswind klagt in dem düstren Raum.
(Band 1 S. 49-50)
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Konfession
Ich aber bin der Kleinsten Einer
Und der Geringste unter ihnen,
Und bin nicht wert, dir scheu zu dienen,
Denn so verscheucht, als ich, ist keiner,
Und jeder hat in seinen Mienen
Doch noch ein: Keuscher Ich und Reiner!
Ich aber bin ein Ding voll schlechten,
Verpfuschten Schatten und Gerümpel
Und jeder Wollust toter Tümpel -
Der niedrigste von deinen Knechten
Ist neben mir ein stolzer Wimpel
Und prangt als Sonne der Gerechten!
Denn ich bin so vermorscht und kleiner
Als der verlorne Wurm im Staube,
Ich bin der Rest von deinem Raube,
Ich bin der Ausgestoßnen Einer
Und hab nur dies: Ich weiß und glaube
Und liebe dich so sehr, wie Keiner! ...
(Band 1 S. 113)
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Zurück zum Hades
Zurück zum Schlamm, zum schmutzigen Beginn,
zur Brutstatt unbeseelter Kreaturen:
zu dämmern ohne Ziel und ohne Sinn,
blind für das Wunder friedlich bunter Fluren.
Wirf dich zu Boden, kriech dem Wurme gleich!
Du hast dein stolzes Haupt zu hoch getragen
und wähntest, unser sei das Himmelreich;
nun liegst du da, geschändet und geschlagen,
mit andrem Abfall, Müll und welkem Laub,
von jedem Windstoß in die Flucht getrieben,
und nichts ist schließlich als ein Häufchen Staub
von deiner alten Herrlichkeit geblieben.
Zurück zur Höhle, in das Erdversteck,
die Menschenwürde ganz und gar mißachtet,
zurück zu Tierischem an Dreck und Schreck
und schließlich viehisch wie ein Tier geschlachtet!
Die Sicherheit, das heilge Lebensgut,
der Wesen gegenseitiges Vertrauen,
zerstört! Die Welt verkommt in Furcht und Wut,
aus Tag und Abend ward ein böses Grauen,
und angstvoll bebt die Nacht im Schlafe noch:
es geistern durch die Luft des Todes Boten.
Zurück ins Dunkel, in das Erdenloch,
wohin wir längst gehören: zu den Toten!
Noch nicht gewesen oder nicht mehr sein;
doch kein beherztes, gut geführtes Leben!
In die Erniedrigungen tief hinein,
noch tiefer, um dich nie mehr zu erheben!
Es bleiben Furcht und Dunkelheit dein Los,
allmählich wirst du dich nicht mehr entsinnen,
daß einst dein Dasein menschlich war und groß,
nur trachten, der Vernichtung zu entrinnen,
der doch dein Kleinmut längst sich dumpf ergab.
Mag nun das Letzte über dich ergehen:
hinab zum Hades, in das Massengrab,
aus dem wir alle nicht mehr auferstehen!
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