Was mich an dem medialen Gesabbel um Coronaweihnachten extrem abnervt, ist, dass tatsächlich überall (Radio, TV, Öffentlich Rechtliche, die ich sonst durchaus schätze) so getan wird, als sei es jetzt, dieses Jahr, besonders "arg, schlimm, schwer" - als gäbe es nicht seit etlichen Jahren rings um den Globus zahlreiche Menschen, die nicht nur, aber auch zu Weihnachten und Silvester, Geburtstagen ... einsam, sozial isoliert, traurig, verzweifelt sind. Auch die Gründe dafür kennen wir seit Urzeiten:
Armut, schwere Krankheit (inkl. Krankenhausaufenthalten, auch Intensivstation), Alter (inkl. "Aufenthalt" für das Restleben! im Pflegeheim ...), aufgrunddessen erheblich eingeschränkte bis nicht zugängliche Mobilität, Bewegungsfreiheit (mit allen üblichen Folgen dessen).
Man denke auch an in Gefängnissen Inhaftierte, an Geflüchtete, an anderweitig (auch "häuslich") Gefangene, Gefangengehaltene (insbes. Frauen, Kinder, siehe "häusliche Gewalt" ...).
Als gäbe es all dieses Leid nicht seit etlichen Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten - rings um den Globus.
Als könne man all dem nicht l ä n g s t angemessen, effektiv abhelfen, ihm auch angemessen vorbeugen!
Ich bin wirklich nur noch abgestoßen von all der Heuchelei, Doppel-, Scheinmoral, Ignoranz, Horizontenge, dem massiven Mangel an Mitgefühl, dem weltweit nach wie vor verbreiteten rechtskonservativen Menschen- und Weltbild, all der Egomanie, Selbstgerechtigkeit, Verstockt- und Verbohrtheit, Gewissen- und Verantwortungslosigkeit, all dem Autoritarismus, Narzissmus und der Unreife, der Liebesunfähigkeit (!), dem un- und antisozialen V e r h a l t e n sogenannt erwachsener Menschen.
Ja, mein Eindruck ist aus Gründen, auf Basis persönlicher Erfahrungen und Wahrnehmungen, Beobachtungen, dass solche Menschen weltweit nach wie vor die Mehrheit bilden - anderenfalls sähe unsere Welt (Planet, Biosphäre, Gesellschaften, Kulturen, Politik, Verhaltensweisen, Überzeugungen, Ideologien, Theorien, Utopien, Motivationen, Absichten, Ziele ...) l ä n g s t völlig anders aus: friedlich(er), sozial gerecht(er), solidarischer, lebensfreundlicher, gesünder: wohltuend - ja, das hat mit Geben, Teilen und mit je persönlichem Verzicht zu tun, statt destruktiv, gewaltvoll, ungerecht, lebensfeindlich, immer wieder wissentlich und auch absichtsvoll Leben vernichtend.
Ja: Es hat immer mit der je einzelnen Persönlichkeit zu tun, mit Prägung in der Kindheit, Sozialisation, Persönlichkeitsentwicklung, Persönlichkeitsreife oder eben -unreife, mit (frühen, intensiven, lebenslang wirksamen) Beschädigungen und deren F o l g e n - für eben gerade nicht nur das jeweils betroffene, beschädigte Individuum selbst.
"Der mitfühlende Mensch kann Kriege verhindern."
Arno Gruen
... und er kann sie auch a k t i v beenden: der mitfühlende (schmerzfähige, schmerz-, leiderfahrene), empfindsame, zugewandte, versöhnungsfähige, liebesfähige Mensch.
"Wollen wir eine Brücke schlagen von Mensch zu Mensch - und dies gilt auch von einer Brücke des Erkennens und Verstehens - so müssen die Brückenköpfe eben nicht die Köpfe, sondern die Herzen sein."
Viktor Frankl
Denn eine tragfähige Brücke von Mensch zu Mensch kann nie nur von einer Seite her errichtet werden, so wie Frieden niemals je ein nur einseitiger sein kann. Friedenschließen ist aktives Tun, Aufeinanderzugehen, Dialog, Geben - von beiden, von allen involvierten Seiten: Menschen.
Und es hat dies nichts mit Geschäftsbeziehung, Tausch-/Kuhhandel, Profitherausschlagen, Übervorteilen, gar Hintergehen, Täuschen, Ausbeuten, Unterwerfen zu tun.
Wenn aber die Schmerzgrenze eines Menschen (intensiv, wiederholt, dauerhaft) überschritten wird, reagiert er natürlicherweise (!) mit Aggression - irgendwann ggf. auch mit Gewalt. Reaktive Aggression: als Warnsignal, als Kommunikationsmittel.
Wer also (wissentlich, absichtsvoll) "Schmerz sät", anderen Schmerz, Leid zufügt, muss mit Aggression, irgendwann auch mit Gewalt rechnen.
Mit abermaligem Verweis auf Joachim Bauer: "Schmerzgrenze - Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt".
Es ist letztlich alles eine Sache der Ethik. N i c h t der Religion.
Und Ethik ist veränderlich, modifizierbar - gerade nicht dogmatisch, wie es Religion ist.
Um sich i n t r i n s i s c h motiviert moralisch, fair, prosozial, auch altruistisch zu verhalten, bedarf es keiner Religion, keines religiösen Glaubens, keiner religiös/ideologisch oktroyierten "Moral", sondern des intakten Mitgefühls - das jedem Menschen wie auch anderen Primaten angeboren ist (mit Veweis auf Primatologen, Verhaltensforscher wie bspw. Frans de Waal) - und der je persönlichen Reflexionsfähigkeit, Reife, inkl. Selbstkritik, Selbstzweifeln, Selbstreflexion.
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