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Sabeth schreibt

Poesie Melancholie Philosophie Feminismus Anarchismus - non serviam.

Warum Armut global nicht behoben wird, nicht behoben werden soll

 
Warum Armut global nicht behoben wird, nicht behoben werden soll
 
Selbstverständlich wird weltweit nirgendwo materielle Armut angemessen behoben, so lange am (neoliberalen) Kapitalismus festgehalten wird und dieser erhalten werden/bleiben soll, denn der Kapitalismus speist sich bekanntlich gerade weltweit aus Ausbeutung, Raubbau, Zerstörung (unser aller Lebensgrundlage); der Ausbeutung geht wiederum ebenso lange und global beobachtbar Unterdrückung voraus und Gewalt mit ihr einher.
 
Arme Menschen sind viel leichter instrumentalisier- und ausbeutbar, knechtbar, denn sie haben aus bekannten Gründen mehrheitlich weniger (leichten, guten) oder auch gar keinen Zugang zu Information, Bildung (ohnehin dann nicht, wenn sie Analphabeten sind), sie sind somit leichter beeinflussbar, manipulierbar und infolgedessen leichter verfügbar zu machen, zu instrumentalisieren, zu unterwerfen und auszubeuten.
 
Darüberhinaus können materiell arme Menschen sich auch erheblich schwerer bis gar nicht gegen solches Misshandelt- und Beschädigtwerden zur Wehr setzen, da sie mehrheitlich aufgrund all der "Begleiterscheinungen" und Folgen materieller Armut früher, häufiger, schneller, zumeist auch schwerer und langwieriger erkranken, physisch und psychisch schneller, intensiver und häufig dauerhaft geschwächt, belastet sind, weniger leichten/guten/möglichen Zugang zu angemessener, hilfreicher medizinischer Versorgung haben, somit weniger bis gar nicht Möglichkeiten zu existenziell wichtiger Regeneration, Genesung und Vitalisierung haben. - Sie bleiben krank, geschwächt und werden es auf dieser Grundlage zunehmend sowie fortschreitend.

Überdies ist materielle Armut häufig auch Folge von bereits zuvor bestanden und erlitten habenden Erkrankungen, Einschränkungen, Belastungen, Behinderungen - auch von bereits massiv in gerade der Kindheit erlittenen Beschädigtwordenseins (wiederum häufig als Folge bereits materiell armer, ausgegrenzter, hilfloser Eltern, deren Lebensverhältnissen, eigenen Beschädigungen ...).
 
Wer in solcher Weise geschwächt, belastet ist, hat schon rein physisch "kaum" mehr die Möglichkeit, sich aus solcher Misere selbsttätig, eigeninitiativ, "eigenverantwortlich", selbstwirksam - auf welche Weise auch immer - befreien zu können.
 
Materielle Armut isoliert überdies sozial, grenzt aus - aufgrund der genannten Belastungen und ihrer Folgen wiederum.
Ausgegrenztwerden ist eine intensive Schmerzerfahrung, lange Zeit bedeutete es in der Menschheitsgeschichte den sicheren Tod.
 
So geschädigte Menschen sind häufig nicht (mehr) mobil, können sich früher oder später auch nicht mehr angemessen um Körperpflege, die so wichtige gesunde Ernährung und ihren Haushalt kümmern, sie verlieren ihr Selbstwertgefühl, sie resignieren, ziehen sich zurück oder suchen Entlastung, Erleichterung in diversen Suchtmitteln/Substanzen/Drogen, was die Situation üblicherweise nur noch verschlimmert (auch durch Verschuldung) - bis hin zur Wohnungs- und Obdachlosigkeit und "früheren Sterblichkeit" - zum Tod also.
 
Die in solcher Weise vielfach ge- bzw. beschädigten Menschen schämen sich häufig infolge all dessen und w e r d e n von ihrer Umgebung, von Gesellschaft und Politik beschämt, diskreditiert, vorgeführt, entwertet, a u s g e g r e n z t - mit Hilfe auch von Medien (als "prominente" Beispiele seien in Bezug auf Deutschland die BILD-Zeitung und RTL genannt sowie weitere Boulevardmedien); sie werden als Asoziale, Ballastexistenzen (NS-Terminologie) als Sozialschmarotzer, Arbeitsscheue, Pack, Parasiten (!) etc. bezeichnet.
 
Vielleicht ist es in der Mehrheitsgesellschaft, im Bürgertum, der Mittelschicht noch immer nicht oder nicht mehr ausreichend bekannt, dass dieses Menschenbild, diese Terminologie auf nationalsozialistische Ideologie zurückgeht und selbige sich augenfällig bis heute erhalten hat:
 
Die "Asozialen", auch "Ballastexistenzen" genannt, hatten im Dritten Reich den Schwarzen Winkel zu tragen ... und sind die einzige, bis heute nicht auch nur ansatzweise rehabilitierte "Gruppe" der unter dem Naziterror Gelittenhabenden. Aus Gründen. Siehe bspw. Thilo Sarrazin: "Deutschland schafft sich ab" - sein Angriff auf vor allem die Unterschicht, siehe diverse weitere Rechtspopulisten, rechte Agitatoren, siehe die sogenannte Sozialpolitik der Regierung - der etablierten, neoliberalen Parteien CDU/CSU, FDP, SPD sowie auch der Grünen und ohnehin der neoliberalen, rechtsextremistischen, rassistischen AfD.
 
Wir erinnern uns, dass es SPD und Grüne waren, die die Agenda 2010, damit Hartz 4 begründet, eingeführt, durchgesetzt haben und wer - Regierungspolitik - seither daran festhält: Sozialstaatsabbau, Privatisierung, Steuersenkungen (für Vermögende, multinationale Konzerne), siehe Mont Pelerin-Society, Neoliberalismus, Lobbyismus ... .
 
Bekanntlich ist Deutschland jedoch keine neoliberale Enklave, Insel, kein neoliberales Unikat.
 
So lange Menschen weltweit also kapitalistisch ausbeutbar, unterwerfbar bleiben sollen - und es für den Erhalt/Bestand des Kapitalismus´ bleiben müssen - wird von all jenen in (kapitalistisch geprägten) Führungs-, Entscheidungs-, Verantwortungspositionen in Politik und Wirtschaft niemand etwas ernstlich, tatsächlich effektiv gegen materielle Armut, zu deren Bewältigung, unternehmen (wollen).
 
Ganz besonders trifft das übrigens auf Frauen zu, denn materiell arme Frauen sind Männern weltweit sexuell und sozial leichter verfügbar, leichter zugänglich zu machen, da arme Frauen sich gezwungenermaßen eher prostituieren und/oder der patriarchalen Ehe "zuführen" lassen als Frauen, die wirtschaftlich, finanziell gut gestellt sind und infolgedessen relativ unabhängig und selbstbestimmt sein, leben können.
 
Zusätzlich sind Frauen als Mütter leichter verletzbar, manipulier- und instrumentalisierbar, ausbeutbar, da sie für ihre Kinder, deren Wohlergehen, mehr Zugeständnisse zu machen bereit sind, Schmerz, Leid auf sich nehmen, um ihre Kinder gegebenenfalls - zumeist leider nur vermeintlich - schützen zu können.
 
Geht es der Mutter schlecht (physisch und/oder psychisch), so wird es früher oder später zwangsläufig i m m e r auch ihren Kindern schlechtgehen.

Und so wird die nächste Generation unterwerfbarer, ausbeutbarer Menschen, Menschenmaterials, gezielt, vorsätzlich verursacht.
Bekanntlich gibt es aus diesem Teufelskreis für Betroffene kaum ein Entkommen, wenn doch, so meist nur durch diverse Zufälle, unerwartete Umstände, durch Veränderungen, Unterstützung von "außen", von anderen.

Selten jedoch aufgrund von Selbstwirksamkeit. Und genau das macht es für Betroffene zusätzlich so unerträglich - das Fehlen von Selbstwirksamkeit, Selbstbestimmtheit, Selbstwertgefühl, Würde, das Abhängigseinmüssen, -gemachtwerden von anderen - die Unterwerfung, die Knechtung - die Entwürdigung, neben allen weiteren Entbehrungen, Schmerzen, vielfachem wie vielfältigem Leid.
 
Der Kapitalismus ist, wie wir wissen, jedoch auch "nur" ein Bestandteil des global nach wie vor herrschenden Patriarchats.
 
Wenn wir aus dieser globalen Misere tatsächlich (!?) herausfinden, sie tatsächlich angemessen bewältigen wollen, kommen "wir" nicht umhin, den F r a u e n weltweit paritätische Möglichkeiten, Rechte, Räume, Freiheiten zur Mitbestimmung, Mitgestaltung, Entscheidung, Verantwortung, Einflussnahme und auch Umgestaltung einzuräumen, sie ihnen zu ermöglichen, statt zu nehmen, vorzuenthalten, zu verweigern.
 
Und nein, diese Möglichkeit(en) erlangen Frauen n i c h t dadurch, dass sie sich immer "besser", intensiver an kapitalistische, patriarchale, androzentrische Verhältnisse und Regeln anpassen, diesen unterwerfen - das Gegenteil ist der Fall und ist: erforderlich - unabdingbar.
 
Siehe feministische Kapitalismuskritik, Wirtschaft der Fürsorge, bedürfnisorientierte Gemeinwohlökonomie, Sorge-Arbeit - gemeinschaftliches, kooperatives, prosoziales Arbeiten, Wirtschaften, Handeltreiben, Wohnen.
 
Siehe also genuin linke, soziale, "sozialistische", anarchistische Werte, Ideale, Ziele und Lebensformen.
 
Ja: Es gibt Alternativen, es gab sie immer schon und nein, das ist keine Sozialromantik oder irrationale Utopie:

Vor der neolithischen Revolution (und dem Beginn der Besitzverhältnisse wie wir sie seit ca. 10 000 Jahren kennen, also: Patriarchat) bestand nach heutigem Stand wissenschaftlich fundierter Kenntnis Geschlechterparität und ein Zusammenleben in kleinen Gemeinschaften - generationenübergreifend, also keine Kleinfamilie.
 
Und in den sogenannten Matriarchaten, auch den wenigen noch heute bestehenden (bspw. der Khasi, Mosuo und Minangkabau), findet sich sämtlich ein spezifisches Merkmal: Gewaltlosigkeit.
 
Feminismus richtet sich nicht gegen Männer, sondern gegen das Patriarchat.
 
"Matriarchat" bedeutet n i c h t "Frauen-/Mutterherrschaft" - es geht nicht um eine simple, primitive Umkehr der Machtverhältnisse, es geht darum, tatsächlich und dauerhaft gemeinschaftlich, kooperativ, prosozial, friedlich, fürsorglich, nachhaltig und gerecht miteinander zu leben.
Dass dies möglich, realistisch, machbar ist, zeigen die genannten "Matriarchate" - in aller demonstrativen Deutlichkeit.
 
Was dafür absolut unabdingbar ist - für die Abkehr von Gewalt, Rache, Strafe, kompensatorischem Macht- und Unterwerfungsstreben, von Leistungsideologie, Konkurrenz, Kampf, Gier, Neid, Hass - ist das jedem Menschen angeborene (!) Mitgefühl - das Stärken, Fördern desselben: von frühester Kindheit, von Geburt an - durch den bedürfnisorientierten, liebevollen, fürsorglichen, respektvollen Umgang mit Kindern.
 
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"[...] Besonders prekär - und für die Zukunft unseres Globus von Bedeutung - ist der Zusammenhang zwischen der Ungleichverteilung von Lebenschancen und Aggression, insbesondere zwischen Armut und Gewalt: Armut bedeutet - vor allem für diejenigen, die ihr nicht durch eigenes Verschulden ausgeliefert sind - nicht nur existenzielle Not, sondern ist vor allem eine Ausgrenzungserfahrung. Aus diesem Grunde ist sie auch ein besonders ergiebiger Nährboden für Gewalt. [...]
 
Eine Situation jedoch, in der die einen Not erleiden, während sich andere reichhaltiger Lebenschancen und guter materieller Ressourcen erfreuen, bedeutet Ausgrenzung und tangiert die Schmerzgrenze. Hier ist über kurz oder lang zwingend mit Gewalt zu rechen. [...]
 
Aber auch in Demokratien kann es, z.B. wenn sie ausschließlich repräsentativ funktionieren wie in Deutschland, zu einem Mangel an Partizipation kommen. Besonderes starke Ausgrenzungserfahrungen ergeben sich in einem Land jedoch aus der konkreten Ungleichverteilung von Chancen. Insbesondere Armut im Angesicht von Wohlstand anderer ist eine Ausgrenzungserfahrung ersten Ranges. [...]
 
Aggression ist ein evolutionär entstandenes, neurobiologisch verankertes Verhaltensprogramm, welches den Menschen in die Lage versetzen soll, seine körperliche Unversehrtheit zu bewahren und Schmerz abzuwehren. Die neurobiologischen Schmerzzentren des menschlichen Gehirns reagieren jedoch nicht nur auf körperlichen Schmerz, sondern werden auch dann aktiv, wenn Menschen ausgegrenzt oder gedemütigt werden. Nach dem Gesetz der Schmerzgrenze wird Aggression nicht nur durch willkürlich zugefügten Schmerz, sondern auch durch soziale Ausgrenzung hervorgerufen.
Nicht ausgegrenzt zu sein, sondern befriedigende Beziehungen zu anderen zu pflegen, zählt zu den menschlichen Grundmotivationen. Wer Menschen von Beziehungen abschneidet, indem er sie ausgrenzt und demütigt, tangiert die physische und psychische Schmerzgrenze und wird Aggression ernten. Der Aggressionsapparat erweist sich damit als Hilfssystem des neurobiologischen Motivationssystems, welches auf soziale Akzeptanz ausgerichtet ist. Aggression wird erzeugt, wenn wichtige zwischenmenschliche Bindungen fehlen oder bedroht sind. [...]"
 
Quelle: Prof. Dr. med. Joachim Bauer (Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut): "Schmerzgrenze - Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt", farbliche Hervorhebungen habe ich vorgenommen.
 

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