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Sabeth schreibt

Poesie Melancholie Philosophie Feminismus Anarchismus - non serviam.

Bitte um Unterstützung für "Reichtum umverteilen"

"[...] Im Nachkriegsdeutschland habe sich bis in die 80er-Jahre die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter geschlossen. Doch mittlerweile klaffe sie so weit auseinander wie in keinem anderen Land der Euro-Zone, schreibt Berger. Und diese Entwicklung höre nicht auf.
 
"Vermögen werden in Deutschland in der Regel nicht erarbeitet oder gar zusammengespart, sondern ererbt. Der Unterschied zwischen Arm und Reich entscheidet sich also meist beim Spermalotto. In einer Gesellschaft, die in ihren Sonntagsreden stets viel Wert auf Chancengleichheit legt, ist dies ein seltsam anmutender Anachronismus."
 
Und weiter:
"Wer Vermögen besitzt, hält auch den Hebel in der Hand, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen und die politische Debatte zu lenken."
 
Beeindruckende Rechnungen
Dass Geld oft auch Einfluss bedeutet ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Und soziale Gerechtigkeit und die Diskussionen über höhere Steuern für Vermögende waren wichtige Wahlkampfthemen im vergangenen Jahr. Doch jenseits solcher Allgemeinplätze lohnt sich die Lektüre. Denn der Autor stellt beeindruckende Rechnungen auf.
 
"Das Vermögen der 80.000 wohlhabendsten Deutschen ist 16-mal so groß wie das Vermögen der unteren 40 Millionen Deutschen zusammen. Das Vermögen der 800.000 wohlhabendsten Deutschen ist fast genau so groß wie das Vermögen der übrigen 80 Millionen. Die untersten 20 Prozent der Bevölkerung besitzen überhaupt kein Vermögen."
 
Bergers Buch steckt voller Zahlen, die zeigen, wie Besitz und Vermögen in Deutschland verteilt sind. Er dröselt auf, wie die Betriebsvermögen und die Kontrolle der großen deutschen Unternehmen in den Händen von einigen wenigen liegen. Und im Hintergrund sind oft große internationale Finanzkonzerne tätig, deren Namen kaum in die breite Öffentlichkeit gelangen. Berger hat mühsam recherchiert. Denn verlässliche Daten gerade zu den Vermögendsten im Land zu erhalten, sei schwierig, moniert er.
 
Als ein Beispiel verweist er auf das Statistische Bundesamt. Dessen alle fünf Jahre durchgeführte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Bundes und der Länder berücksichtige keine Haushalte mit einem Nettoeinkommen von über 18.000 Euro. Mit der Begründung, diese seien statistisch nicht relevant. Doch ohne diese Angaben sind kaum belastbaren Aussagen über die Verteilung von Vermögen in Deutschland machen, argumentiert Berger.
 
"Es ist eine Schande, dass der Staat nicht das geringste Interesse daran hat, mehr über die Vermögensverteilung in Deutschland zu erfahren. Wie will der Gesetzgeber sich dem Problem der Verteilungsungerechtigkeit stellen, wenn er zu diesem Thema über gar keine Zahlen verfügt? Da liegt der Verdacht nahe, dass die Blindheit von Ämtern und Staat gewollt sein könnte."
 
Gerade unter Gerhard Schröders rot-grüner Regierung habe es viele Reformen bei Steuergesetzen gegeben, die das Eigentum der Wohlhabenden auf Kosten der Geringverdiener mehrten. Als Beispiel für eine solche Umverteilung von unten nach oben nennt Berger die Kapitalertragssteuer, die unter Kanzler Kohl noch 53 Prozent betrug und bis heute auf 25 Prozent gesenkt wurde.
 
Subventionierung der Wohlhabenden
"Also, im letzten Jahr haben beispielsweise die zehn reichsten Familien Deutschlands zusammen 2,4 Milliarden Euro nur an Dividenden kassiert. Und wenn diese Dividenden nur noch halb so hoch besteuert werden ist das natürlich eine staatliche Bezuschussung, Subventionierung der Wohlhabenden, so möchte ich es ausdrücken."
 
Egal ob bei Vermögensanlagen, Immobilien, beim Gesundheitswesen oder der Altersvorsorge: Überall haben neoliberale Weichenstellungen unsere Gesellschaft umgekrempelt, schreibt Berger. Er meint: Wer nicht viel hat, hat es schwer - und wer viel hat, der steht nun noch besser da.
Das Buch ist ein Weckruf an jene, die sich an die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich gewöhnt haben. Auf den letzten Seiten erhebt Berger gar 16 Forderungen zur Umverteilung: Vermögen solle endlich verlässlich erfasst, Steuerschlupflöcher gestopft und die Hartz-IV-Gesetze zurückgenkommen worden, heißt es unter anderem.
 
Zu radikal? Mitnichten, sagt Berger unter Verweis auf die deutsche Geschichte.
 
"Beispielsweise 1952, da gab es in Deutschland ein Lastenausgleichsgesetz. Das war eine Vermögensabgabe bei der die Superreichen mit bis zu 50 Prozent ihres Vermögens besteuert wurden, einmalig. Also, eine echt Vermögensabgabe. Heutzutage unvorstellbar! Das wäre wahrscheinlich Sozialismus pur heute. Das Gesetz zur Vermögenssteuer ist ja auch immer noch in Kraft. Es wird nur nicht mehr, das ist glaube ich auch eine Einmaligkeit, das ein Gesetz, das in Kraft ist, vom Gesetzgeber nicht mehr angewandt wird. Also, es wäre schon ein ganz einfacher Schritt, das Gesetz einfach wieder anzuwenden." [...]"
 
Quelle: deutschlandfunkkultur.de - "Der Hebel in der Hand der Reichen" - zu Jens Bergers Buch "Wem gehört Deutschland?"
 
"[...] Es liegt im Wesen der Macht, nicht nur ihre Erhaltung mit allen Mitteln zu verteidigen, sondern sich materiell und ideell immer stärker zu machen, ja, ihre Ausdehnung und Kräftigung als einzigen Inhalt allen ihrer Handlungen zugrunde zu legen. Menschen und gesellschaftlich lebenden Tieren ist das Machtstreben nicht angeboren. Erst jahrtausendelange Gewöhnung an Vorrecht und Entrechtung hat die Menschen, nur sie, zu dem Glauben gebracht, es sei in ihrer Natur bedingt, daß der Wettstreit um den Platz an der Sonnenseite des Daseins in der Form von Machtkämpfen geführt werden müsse. Gerade aber erst die Machtkämpfe haben mit der Spaltung des Menschengeschlechts in Herrschende und Beherrschte verursacht, daß es eine Sonnenseite und eine Schattenseite des Lebens gibt. Macht kann nicht sein, wo keine Ohnmacht ist. Wer nach Macht strebt, kann sein Ziel nur erreichen, indem er andere ohnmächtig macht. Die größte und umfassendste Macht der bisher erlebten Geschichte ist die vom Kapitalismus entwickelte Macht. Zweck der halt- und grenzenlosen Kapitalshäufung ist jedoch keineswegs, dem Kapitalisten bloß ein Wohlleben zu verschaffen. Seine Absicht, in Reichtum zu leben und Aufwand zu treiben, läßt sich erreichen, ohne daß Milliardenwerte, ungeheure Ländereien, Bergwerke, ganze Industrieausbeuten unter die Verfügung eines Einzelnen zu gelangen brauchten. Der Großkapitalist rafft seine Güter durchaus nicht zusammen, um sich ein bequemes Leben zu schaffen; er verwendet im Gegenteil außerordentlich mühevolle Tätigkeit auf die Erhaltung, Vermehrung und Vervielfältigung seines Kapitals, obwohl er weiß, daß sich durch die Ausdehnung seines Eigentums an seiner Lebensführung gar nichts ändern wird und obwohl jede Vergrößerung seines Reichtums größere Anforderung an seine organisatorische Spannkraft stellt.

Der Kapitalist weiß sogar, daß bei gerechter und natürlicher Bewirtschaftung der Erde im Sozialismus, bei gleicher Berücksichtigung aller in der Regelung des Verbrauchs, für niemanden, also auch für ihn nicht, eine Verarmung im Sinne von Mangel an Gütern und Freuden eintreten würde. Denn der Boden trägt, wenn er sozialistisch gepflegt wird, genügend, um guten Wohlstand für alle Menschen zu verbürgen, und wir kämpfen für die kommunistische Anarchie nicht, um den Reichtum, sondern um die Armut abzuschaffen. Der Kapitalist macht sich reich, um andere arm zu machen. Sein Antrieb zur Kapitalanhäufung ist nicht Habsucht, sondern Machtgier. Je mehr Menschen er durch seinen Reichtum in Armut treibt, um so mehr Menschen macht er sich hörig. Je ärmer jemand ist, um so abhängiger ist er, je abhängiger er ist, um so besser kann er beherrscht werden. Darum bleibt es sich auch für den arbeitenden Menschen ganz gleich, ob seine Arbeitskraft von einem Privatmann oder einer Ausbeutergesellschaft gedungen wird oder vom Staat. Dadurch, daß ihm der Ertrag seiner Leistung vorenthalten bleibt, wird Macht geschaffen, von der er abhängig ist. Die Staatsmacht braucht seine Armut genau so wie der Private, um durch sie Macht auszuüben. Die Macht des Staates ist aber gefährlicher als jede andere Macht, weil sie mit dem Anspruch auftritt, Ausdruck des allgemeinen Willens zu sein und die von ihr der Arbeit abgenommenen Reichtümer dem allgemeinen Nutzen zuzuführen. In Wahrheit dienen diese Reichtümer ausschließlich der Erhaltung des Staates selbst, das heißt der Macht der Obrigkeit, die die Ohnmacht der Regierten braucht. [...]"
 
Erich Mühsam, 1932
 

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